Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
den Ismael auf unterweltliche Weise mit Isaak, seinem jüngeren Halbbruder, scherzen sah, was keineswegs ungefährlich erschien für Jizchak, den wahrhaften Sohn, denn Ismael war schön wie der Sonnenuntergang in der Wüste. Darum erschrak der zukünftige Vater sehr vieler und fand die Gesamtlage reif für durchgreifende Maßregeln. Das Verhältnis zwischen Sara und Hagar, die sich schon einst ihrer Mutterschaft gegen die noch Unfruchtbare überhoben hatte und schon einmal vor deren Eifersucht hatte fliehen müssen, war andauernd zänkisch, und Sara betrieb alle Tage die Austreibung der Ägypterin und ihrer Frucht, nicht zuletzt weil die Erbfolge ungeklärt war und strittig zwischen dem älteren Sohne der Nebenfrau und dem jüngeren Sohne der rechten: es war sehr die Frage, ob nicht Ismael mit Jizchak oder gar vor ihm hätte erben müssen – greulich zu denken für Sara’s eifrige Mutterliebe und auch dem Abiram unbequem. Darum brachte, was er nun auch noch gar von Ismael gesehen hatte, die schwebenden Schalen seiner Entschlüsse zum Ausschwingen, und er gab der überheblichen Hagar ihren Sohn nebst etwas Wasser und Fladen und hieß sie sich umsehen in der Welt ohne Wiederkehr. Wie denn auch anders? Sollte wohl Jizchak, das verwehrte Opfer, am Ende nun doch noch dem feurigen Typhon zum Opfer fallen?
Die Frage will wohlverstanden sein. Sie lautet anzüglich für Ismael, aber mit Recht. Denn in ihm selbst liegt die Anzüglichkeit, und daß er in nicht geheueren Fußstapfen ging und sozusagen »nicht von gestern« war, ist unabweisbar. Die leichteste Abänderung der ersten Silbe seines Namens genügt, um diesen in seinem ganzen Hochmut herzustellen, und daß er in der Wüste ein so guter Bogenschütze wurde, ist sichtlich auch nicht ohne Eindruck auf die Lehrer geblieben, die ihn einem Waldesel verglichen, dem Tiere Typhon-Sets, des Mörders, des bösen Bruders Usiri’s. Ja, er ist der Böse, er ist der Rote, und Abraham mochte ihn immerhin austreiben und sein Segenssöhnchen vor seinen feurig-unrichtigen Nachstellungen schützen: als Isaak zeugte in des Weibes Schoß, da kehrte der Rote wieder, um zu leben in seinen Geschichten neben Jaakob, dem Angenehmen, da gab Rebekka das Brüderpaar an den Tag, das »duftige Gras« und das »stachlige Gewächs«, Esau, den Rotpelz, den die Lehrer und Wissenden viel heftiger beschimpften, als seine bürgerlich-irdische Person beschimpft zu werden verdiente. Denn Schlange und Satan nennen sie ihn und Schwein dazu, ein wildes Schwein, um aus aller Kraft anzuspielen auf den Keiler, der den Schäfer und Herrn zerriß in Libanons Schlüften. Ja, geradezu einen »fremden Gott« heißt ihn ihre wissende Wut, damit niemand durch die ungeschlachte Gutmütigkeit seiner bürgerlichen Person sich täuschen lasse über das, was er ist im Umschwung der Sphäre.
Sie schwingt, und oft sind sie Vater und Sohn, die Ungleichen, der Rote und der Gesegnete, und es entmannt der Sohn den Vater, oder der Vater schlachtet den Sohn. Oft aber wieder – und niemand weiß, was sie zuerst waren – sind sie auch Brüder, wie Set und Usir, wie Kain und Habel, wie Sem und Cham, und es kann sein, daß sie zu dritt, wie wir sehen, beide Paare bilden im Fleisch, das Vater-Sohnespaar nach der einen, das Brüderpaar nach der anderen Seite. Denn es steht Ismael, der wilde Esel, zwischen Abraham und Isaak. Jenem ist er der Sohn mit der Sichel; diesem der rote Bruder. Wollte denn Ismael den Abram entmannen? Allerdings wollte er das. Denn er war im Begriffe, den Isaak zu unterweltlicher Liebe zu verleiten, und wenn Isaak nicht gezeugt hätte in des Weibes Schoß, so wären nicht Jaakob gekommen und seine Zwölfe, und was wäre dann aus der Verheißung zahlloser Nachkommenschaft geworden und aus Abrahams Namen, der da bedeutet »Vater sehr vieler«? Nun aber wandelten sie wieder in der Gegenwart ihres Fleisches, als Jaakob und Esau, und sogar Esau, der Tölpel, wußte so ziemlich, welche Bewandtnis es mit ihm hatte, – wieviel mehr Jaakob, gebildet und sinnreich wie er war?
Von Jizchaks Blindheit
Gebrochen und schwimmenden Blicks ruhten Jaakobs kluge braune, schon etwas müde Augen auf dem Jäger, seinem Zwilling, während dieser ihm half, den Vater zu bestatten, und alle Geschichten standen wieder in ihm auf und wurden sinnende Gegenwart: die Kindheit und wie die Entscheidung, die lange geschwebt hatte, gefallen war über Fluch und Segen und dann über alles Weitere. Seine Augen waren trocken im Sinnen, und
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