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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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von Beerscheba aus Beziehungen zum Lande Edom, zu den Leuten der Ziegenberge, des Waldgebirges Seïr aufgenommen und gepflegt hatte, und wie er später mit Kind und Kegel, mit seinen kanaanitischen Weibern Ada, Ahalibama und Basnath und mit deren Söhnen und Töchtern gänzlich zu ihnen und ihrem Gotte Kuzach übergegangen war. Dieses Ziegenvolk also bestand, es bestand, wer weiß wie lange, als Esau, Josephs Oheim, sich zu ihm schlug, und es hat nur magisch-zweideutige Mondgenauigkeit, wenn die Überlieferung, nämlich das spät zur Chronik befestigte, durch die Generationen hingesponnene Schöne Gespräch ihn als »Vater der Edomiter«, als ihren Stammvater also, als den Urbock der Ziegenleute bezeichnet. Das war Esau nicht, nicht dieser, nicht er persönlich – mochte auch das Gespräch und bedingungsweise wohl schon er selbst sich dafür nehmen und halten. Das Edomitervolk war viel älter als Josephs Oheim, den wir wiederholt so nennen, weil es bedeutend sicherer ist, seine Identität nach der absteigenden als nach der aufsteigenden Verwandtschaft zu bestimmen, – unabsehbar älter also als er: denn um die Anfänglichkeit jenes Bela, des Sohnes Beors, den die Tabelle als den ersten König in Edom nennt, steht es mit Sicherheit nicht besser als um die Urkönigschaft Meni’s von Ägypterland, einer notorischen Zeitenkulisse. Stammvater Edoms also war der gegenwärtige Esau genau genommen nicht; und wenn es gesangsweise mit Nachdruck von ihm heißt: »Er ist der Edom«, nicht aber etwa: »Er war der Edom«, so ist die Gegenwartsform dieser Aussage nicht zufällig gewählt, sondern sie erklärt sich damit als zeitlose und über-individuelle Zusammenfassung des Typus. Geschichtlich und also individuell genommen war des Ziegenvolkes Stammbock ein unvergleichlich älterer Esau gewesen, in dessen Fußstapfen der gegenwärtige wandelte, – recht ausgetretenen und öfters nachgeschrittenen Fußstapfen, wie hinzuzufügen ist, und Fußstapfen, die, um das letzte zu sagen, wohl nicht einmal die Eigenspur desjenigen waren, von dem das Gespräch mit Recht hätte künden mögen: »Er war der Edom.«
    Hier mündet unsere Rede nun freilich ins Geheimnis ein, und unsere Hinweise verlieren sich in ihm: nämlich in der Unendlichkeit des Vergangenen, worin jeder Ursprung sich nur als Scheinhalt und unendgültiges Wegesziel erweist und deren Geheimnis-Natur auf der Tatsache beruht, daß ihr Wesen nicht das der Strecke, sondern das Wesen der Sphäre ist. Die Strecke hat kein Geheimnis. Das Geheimnis ist in der Sphäre. Diese aber besteht in Ergänzung und Entsprechung, sie ist ein doppelt Halbes, das sich zu Einem schließt, sie setzt sich zusammen aus einer oberen und einer unteren, einer himmlischen und einer irdischen Halbsphäre, welche einander auf eine Weise zum Ganzen entsprechen, daß, was oben ist, auch unten ist, was aber im Irdischen vorgehen mag, sich im Himmlischen wiederholt, dieses in jenem sich wiederfindet. Diese Wechselentsprechung nun zweier Hälften, die zusammen das Ganze bilden und sich zur Kugelrundheit schließen, kommt einem wirklichen Wechsel gleich, nämlich der Drehung. Die Sphäre rollt: das liegt in der Natur der Sphäre. Oben ist bald Unten und Unten Oben, wenn man von Unten und Oben bei solcher Sachlage überall sprechen mag. Nicht allein daß Himmlisches und Irdisches sich ineinander wiedererkennen, sondern es wandelt sich auch, kraft der sphärischen Drehung, das Himmlische ins Irdische, das Irdische ins Himmlische, und daraus erhellt, daraus ergibt sich die Wahrheit, daß Götter Menschen, Menschen dagegen wieder Götter werden können.
    Dies ist so wahr, wie daß Usiri, der Dulder und Zerstückelte, einst ein Mensch war, nämlich ein König über Ägypterland, dann aber ein Gott wurde – mit der beständigen Neigung freilich, wieder zum Menschen zu werden, wie sich schon in der Daseinsform selbst der ägyptischen Könige, welche alle der Gott als Mensch waren, deutlich erweist. Wenn man aber fragt, was Usir zuallererst und am Anfang gewesen sei, ein Gott oder ein Mensch, so bleibt die Antwort aus; denn einen Anfang gibt es nicht in der rollenden Sphäre. Liegt es doch nicht anders bei seinem Bruder Set, der, wie wir längst in Erfahrung brachten, sein Mörder war und ihn zerstückelte. Dieser Böse, heißt es, war eselsköpfig und von kriegerischer Art, dazu ein Jäger, welcher die Könige Ägyptens zu Karnak, nahe der Amunsstadt, im Bogenschießen unterwies. Andere nannten ihn Typhon, und

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