Judith McNaught
ungewollt beigetragen hatte. Zum
anderen genoß er es sehr, Sheridan davon zu überzeugen, sie solle ihre Stellung
bei den Skeffington aufgeben und ihn zu einem Gespräch wegen »einer neuen
Stellung« auf einem ein paar Stunden entfernten Landsitz begleiten.
Deshalb hatte er zwei untadelig
qualifizierte Gouvernanten mitgebracht, die ihren Platz einnehmen sollten.
Da Lady Skeffington mit ihrer
Tochter nach Devon gefahren war, wo dem Hörensagen nach der zukünftige Duke of
Norringham den Juli über seine Junggesellentage verbrachte, mußte Nicki
lediglich Sir John dazu zu bringen, zwei Gouvernanten anstelle von einer
einzustellen – eine leichte Aufgabe, da Stephen Westmoreland insgeheim über
die Hälfte ihres Lohns für das erste Jahr zahlte.
Nachdem das erledigt war, versuchte
Nicki, Sheridan von der Logik – und der Notwendigkeit – zu überzeugen, sofort
ihre Sachen zu packen und mit ihm zu einem unbekannten Adligen zu fahren, der
ihr eine »bessere Stellung« anzubieten hatte. Um sein Ziel zu erreichen,
erzählte er ihr soviel von der Wahrheit, wie er konnte, und improvisierte, wenn
die Gelegenheit – oder sein Sinn für Humor – es erforderlich machte.
»Viscount Hargrove ist ein bißchen
launisch, manchmal sogar unangenehm«, erzählte er ihr, »aber er liebt seinen
Neffen über alles, der zur Zeit auch sein Erbe ist, und er will nur das Beste
für ihn.«
»Ich verstehe«, erwiderte Sheridan,
wobei sie überlegte, wie launisch und unangenehm der Viscount wohl sein mochte.
»Der Lohn ist hervorragend – um Sie
für die Launen des Viscounts zu entschädigen.«
»Wie hervorragend?«
Bei der Summe, die er nannte,
formten Sherrys Lippen ein stummes 0 erstaunten Entzückens.
»Mit dieser Stellung hängen auch
noch andere Vorteile zusammen.«
»Welcher Art sind diese Vorteile?«
»Eine große Suite für Sie allein,
eine Kammerzofe, ein eigenes Pferd ...«
Ihre Augen wurden bei jedem Wort
größer. »Noch mehr?« fragte sie, als er den Satz nicht zu Ende führte. »Es kann
doch nicht noch mehr sein?«
»Doch, es kommt tatsächlich noch
etwas dazu. Einer der verlockendsten Vorteile dieser Stellung ist, na ja, ich
würde sagen, ... Grundbesitz.«
»Was meinen
Sie damit?«
»Wenn Sie die Stellung annehmen,
wird sie – mit allen Vorteilen – lebenslang die Ihre sein.«
»Ich wollte eigentlich nur noch
wenige Monate in England bleiben.«
»Eine kleine Komplikation, aber
vielleicht können Sie den Viscount davon überzeugen, daß er es Ihnen trotzdem
gewährt.«
Sheridan zögerte und versuchte, sich
ein klareres Bild von dem Mann zu machen. »Ist er schon älter?«
»Vergleichsweise«, bestätigte Nicki
und dachte erheitert daran, daß Langford ein Jahr älter als er selbst war.
»Hat er in der Vergangenheit andere
Gouvernanten gehabt?«
Nicki unterdrückte ein paar höchst
amüsante, aber unangebrachte Bemerkungen hinsichtlich dieser Frage und antwortete
so, wie sie es erwartete: »Ja.«
»Warum sind
sie gegangen?«
Weitere unterhaltsame Spekulationen
kamen ihm in den Sinn, und er stammelte: »Vielleicht haben sie eine Lebensstellung
erwartet, und er hat sie ihnen nicht angeboten?« Um weiteren Fragen
zuvorzukommen, fügte er hinzu: »Wie ich eben bereits sagte, hat es der Viscount
sehr eilig. Wenn Sie sich also für diese Stellung interessieren, dann packen
Sie Ihre Sachen und wir machen uns auf den Weg. Ich habe versprochen, heute um
zwei Uhr mit Ihnen anzukommen, und wir sind bereits drei Stunden zu spät.«
Da sie dem ersten Glücksfall, der
ihr seit ihrer Ankunft in England begegnete, nicht trauen konnte, zögerte
Sheridan, dann aber stand sie auf. »Ich verstehe nicht, warum er jemanden wie
mich einstellen möchte, wo er doch sicher seine Wahl unter besser ausgebildeten
Gouvernanten treffen könnte.«
»Er besteht auf eine Amerikanerin«,
erwiderte Nicki mit erheiterter Bestimmtheit.
»Nun gut, ich werde zu ihm gehen,
und wenn wir uns einigermaßen vertragen, werde ich bei ihm bleiben.«
»So hofft auch er«, sagte Nicki. Als
sie sich umwandte, um hinaufzugehen und zu packen, fügte er hinzu: »Ich habe Ihnen
ein besseres Kleid mitgebracht, eines, das nicht so ...« Er betrachtete ihr
äußerst ordentliches, aber sehr dunkles Kleid. » ... so düster aussieht«,
schloß er. »Viscount Hargrove mag keine düsteren Dinge um sich herum.«
Sechzigstes Kapitel
»Ist irgend etwas nicht in Ordnung, chérie?« fragte er, als die Sonne zu sinken begann.
Sherry löste ihren Blick von
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