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Judith McNaught

Judith McNaught

Titel: Judith McNaught Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Legenden der Liebe
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genug für dich, was, Nelly? Aber vielleicht sind sie ja mit dem Alter
besser geworden.«
    Sheridan, die tief durchatmete,
damit sie nicht wie ein Baby weinte, sah, wie er gleichgültig mit den Schultern
zuckte, als ihre Tante nicht antwortete. Dann wandte er sich um und drückte
Sheridan noch einmal kurz an sich. »Schreib mir«, flehte sie ihn an.
    »Ja, ganz bestimmt«, versprach er
ihr.
    Als er gegangen war, drehte Sherry
sich langsam um und blickte in das ausdruckslose Gesicht der Frau, die ihr
Leben zerstört hatte und die zugleich ihre einzige weibliche Verwandte war.
Ihre grauen Augen brannten vor Tränen. Leise und sehr deutlich sagte Sherry:
»Ich ... ich wollte, wir wären nie hierhergekommen. Ich wollte, ich hätte dich
nie gesehen. Ich hasse dich!«
    Statt sie zu schlagen, was sie, wie
Sherry wußte, hätte tun dürfen, blickte Tante Cornelia ihr direkt in die Augen
und erwiderte: »Ganz gewiß tust du das, Sheridan. Und ich vermute, du wirst
mich noch viel mehr hassen, wenn das hier vorüber ist. Ich hingegen hasse dich
nicht im geringsten. Sollen wir jetzt Tee trinken, bevor wir mit dem
Unterricht beginnen?«
    »Tee hasse ich auch«, verkündete
Sheridan, hob entschlossen ihr Kinn und erwiderte den eisigen Blick ihrer
Tante. Dieser Blick war ihr nicht nur angeboren, sondern auch noch identisch
mit dem Cornelias. Ihrer Tante fiel die Ähnlichkeit auf, Sheridan jedoch
bemerkte sie nicht. »Versuche nur nicht, mich mit diesem Blick herauszufordern,
mein Kind. Ich beherrsche ihn seit langer Zeit bis zur Vollkommenheit und bin
selbst völlig immun dagegen. Er würde dir in England, als Squire Faradays
anerkannter Enkelin, gute Dienste leisten. Hier jedoch sind wir in Amerika, und
da zählt unsere Verwandtschaft mit dem stolzen Squire nicht. Hier gelten wir
bestenfalls als heruntergekommenes Volk, das vornehm tut. Und hier bringe ich
den Kindern von Leuten, die ich früher als meine Untergebenen betrachtet habe,
Benehmen bei, und ich bin glücklich, daß ich diese Arbeit habe. Ich danke meinem
Schöpfer, daß mir dieses gemütliche kleine Haus gehört, und ich trauere auch
der Vergangenheit nicht nach. Eine Faraday jammert nicht. Denk immer daran!
Und ich bedauere keine Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe.
Denn zumindest bin ich von niemandem mehr abhängig. Ich wache morgens nicht
mehr mit der Furcht auf, was tagsüber an Unvorhergesehenem passieren könnte.
Ich führe ein ordentliches, ruhiges und respektables Leben.«
    Als sie diese Rede beendet hatte,
trat sie einen Schritt zurück und musterte ihre Nichte mit einem Gesichtsausdruck,
der beinahe erheitert wirkte. »Meine Liebe, am besten wirkt dieser eisige,
überhebliche Blick, wenn du eine winzige Spur an deiner Nase vorbei auf mich
blickst – ja, genau so. So würde ich es machen.«
    Wenn sich Sheridan nicht so
verlassen und traurig gefühlt hätte, hätte sie gelacht. Mit der Zeit lernte sie
auch wieder, zu lachen – so wie sie sich Latein und damenhaftes Benehmen aneignete.
Ihre Tante war eine unermüdliche Lehrerin und wild entschlossen, Sheridan alles
beizubringen, was sie selbst wußte; und Sheridan merkte bald, daß sich unter
ihrer formalen Strenge tiefe Sorge und sogar Zuneigung für ihre eigensinnige
Nichte verbarg. Sheridan lernte rasch, als sie ihre Abneigung dagegen erst
einmal überwunden hatte. Aus Büchern Dinge zu erfahren, so entdeckte sie, half
einem dabei, die langweiligen Stunden zu überbrücken, die sie nun nicht mehr
mit wilden Ritten auf gescheckten Pferden, den Klängen der Gitarre oder
Gelächter unter dem Sternenhimmel verbrachte. Ein Mitglied des anderen
Geschlechts auch nur mit einem Blick zu bedenken, galt bereits als tugendlos
und war somit verboten; mit einem Fremden ein Gespräch zu beginnen, grenzte an
kriminelles Verhalten. Gesang war nur in der Kirche zulässig, und niemals,
unter keinen Umständen, durfte man irgendeine Art von Bezahlung dafür annehmen.
An die Stelle ihrer früheren interessanten Unternehmungen war nun die
zweifelhafte Herausforderung getreten, zu lernen, wie man Tee einschenkte und
die Kanne dabei genau im richtigen Winkel hielt, oder wie es Messer und Gabel
nach dem Essen auf die korrekte Art und Weise abzulegen galt – zweifelsohne
triviale Dinge. Doch wie Tante Cornelia zu sagen pflegte: »Zu wissen, wie man
sich richtig benimmt, ist unser größtes Vermögen und in unseren Umständen auch
das einzige.«
    Wie recht sie hatte, wurde
offensichtlich, als Sheridan siebzehn

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