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Judith McNaught

Judith McNaught

Titel: Judith McNaught Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Legenden der Liebe
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verachtete, überwältigte sie trotz aller Anstrengungen,
sie zu unterdrücken, und beim Gedanken an all das Elend, das sie bei denen, die
ihr vertrauten und die sie liebten, angerichtet hatte, begann sie unwillkürlich
zu zittern. Sie war stets voller Optimismus und von robuster Gesundheit
gewesen, doch nun fühlte sie sich plötzlich schwach, von panischer Angst
erfüllt und schwindlig. Die Kabine begann sich um sie zu drehen, und sie griff
nach einer Stuhllehne, um sich festzuhalten. Schließlich zwang sie sich, die
Augen wieder zu öffnen, holte tief Luft und steckte ihre Haare wieder fest.
Dann lächelte sie die verängstigte Zofe an und griff nach ihrem Umhang.
    Bemüht darum, gelassen zu klingen,
sagte sie: »Es ist an der Zeit, den bösen Baron kennenzulernen und mich meinem Schicksal
zu stellen.« Ernster fügte sie hinzu: »Du bleibst hier, damit dich keiner
sieht. Wenn ich nicht sofort wieder zurückkomme, wartest du ein paar Stunden
lang und verläßt dann so leise wie möglich das Schiff. Besser noch, bleib an
Bord. Wenn du Glück hast, entdeckt dich niemand, bis das Schiff morgen früh
wieder in See sticht. Es ist schließlich nicht nötig, daß wir beide verhaftet
und eingesperrt werden, falls er sich dafür entscheidet.«

Siebtes Kapitel

    Nach der Stille in ihrer winzigen,
dämmerigen Kabine wirkten der Lärm und der Betrieb auf dem von Fackeln
erhellten Deck ohrenbetäubend. Träger mit Kisten und Fässern auf den Schultern
wimmelten die Gangway hinauf und hinunter, luden Ladung ab und holten neue
Vorräte für die Abreise der Morning Star am nächsten Tag. Seilwinden
quietschten, als Lastnetze vom Schiff auf den Pier heruntergelassen wurden.
Sherry ging vorsichtig die Gangway hinunter und suchte in dem Gedränge nach
einem Mann, der ihrer Vorstellung von einem niederträchtigen englischen Adligen
nahekam – einem dünnen, blassen, überzüchteten, wichtigtuerischen Mann mit
einem Hang zur Grausamkeit. Bestimmt war er in eine seidene Kniehose gekleidet
und mit Kette und anderem Ornat behängt, um seine Braut zu beeindrucken.
    Doch dann sah sie einen großen,
dunkelhaarigen Mann auf dem Pier, der ungeduldig mit seinen Handschuhen gegen
die Hüfte schlug, und wußte sofort, daß er es war. Trotz der Tatsache, daß er
lange dunkle Hosen statt Kniehosen trug, und daß, als der Wind seinen Umhang
bauschte, weder eine glänzende Uhrkette noch goldenes Ornat zu sehen war, hatte
er etwas an sich, das ihn von den anderen abhob, so als trüge er einen Stempel
mit der Aufschrift »privilegiert« auf der Stirn. Sein kantiges Kinn zeugte von
Entschlußkraft und jeder Zentimeter seiner breitschultrigen Erscheinung strömte
selbstbewußte Stärke aus, bis hinunter zu den Spitzen seiner glänzenden
Stiefel. Er runzelte schon die Stirn, als er sie näherkommen sah, und Sherrys
Angst verwandelte sich prompt in Panik. In den vergangenen zwei Tagen hatte sie
insgeheim auf ihre Fähigkeit vertraut, den beleidigten Bräutigam zur Vernunft
zu bringen, aber der Mann, dessen dunkle Augenbrauen in grimmigem Mißfallen
zusammengezogen waren, sah so unnachgiebig aus wie Granit. Er fragte sich
zweifellos, wo zum Teufel seine Verlobte steckte, und warum Sheridan Bromleigh
statt Charise Lancaster die Gangway herunterkam. Und er schien sichtlich
verärgert.
    Stephen war jedoch nicht verärgert,
er war verblüfft. Er hatte erwartet, daß Charise Lancaster eine alberne
Siebzehnoder Achtzehnjährige mit hüpfenden Locken und rosigen Wangen wäre,
gekleidet in Rüschen und Spitzen. Und statt dessen sah er im flackernden Schein
der Fackeln eine gesittete, blasse junge Frau mit hohen Wangenknochen und
außergewöhnlich großen, hellen Augen, umrahmt von auffallend langen Wimpern,
über denen sich anmutig geschwungene braune Augenbrauen wölbten. Die Farbe
ihrer Haare konnte er nicht erkennen, da sie sie straff aus der Stirn gekämmt
und unter einer Haube versteckt hatte. Statt Rüschen trug sie einen zwar
feinen, aber unattraktiven braunen Umhang. Er streckte die Hand aus, um sie zu
begrüßen, und dabei schoß ihm durch den Kopf, daß Burleton entweder verrückt
oder blind gewesen sein mußte, sie als 'ganz hübsches kleines Ding' zu
bezeichnen.
    Trotz ihrer blendenden Erscheinung
wirkte sie äußerst angespannt und verängstigt, als ob sie bereits spürte, daß
irgend etwas nicht in Ordnung war, deshalb änderte Stephen seinen ursprünglichen
Plan und beschloß, den direkten Weg zu gehen, der die Qualen für

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