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Jugend ohne Gott (German Edition)

Jugend ohne Gott (German Edition)

Titel: Jugend ohne Gott (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ödön von Horvath
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alle nicht auf der Welt.«
    Er lacht leise, aber ich lache nicht mit.
    Er leert wieder sein Glas. Ich frage plötzlich: »Wenn also die staatliche Ordnung gottgewollt –«
    »Falsch!« unterbricht er mich. »Nicht die staatliche Ordnung, sondern der Staat ist naturnotwendig, also gottgewollt.«
    »Das ist doch dasselbe!« »Nein, das ist nicht dasselbe. Gott schuf die Natur, also ist gottgewollt, was naturnotwendig ist. Aber die Konsequenzen der Erschaffung der Natur, das heißt in diesem Falle: die Ordnung des Staates, sind ein Produkt des freien menschlichen Willens. Also ist nur der Staat gottgewollt, nicht aber die staatliche Ordnung.«»Und wenn ein Staat zerfällt?«
    »Ein Staat zerfällt nie, es löst sich höchstens seine gesellschaftliche Struktur auf, um einer anderen Platz zu machen. Der Staat selbst bleibt immer bestehen, auch wenn das Volk, das ihn bildet, stirbt. Denn dann kommt ein anderes.«
    »Also ist der Zusammenbruch einer staatlichen Ordnung nicht naturnotwendig?«
    Er lächelt: »Manchmal ist solch ein Zusammenbruch sogar gottgewollt.«
    »Warum nimmt also die Kirche, wenn die gesellschaftliche Struktur eines Staates zusammenbricht, immer die Partei der Reichen? Also in unserer Zeit: warum stellt sich die Kirche immer auf die Seite der Sägewerksaktionäre und nicht auf die Seite der Kinder in den Fenstern?«
    »Weil die Reichen immer siegen.«
    Ich kann mich nicht beherrschen: »Eine feine Moral!«
    Er bleibt ganz ruhig: »Richtig zu denken, ist das Prinzip der Moral.« Er leert wieder sein Glas. »Ja, die Reichen werden immer siegen, weil sie die Brutaleren, Niederträchtigeren, Gewissenloseren sind. Es steht doch schon in der Schrift, daß eher ein Kamel durch das Nadelöhr geht, denn daß ein Reicher in den Himmel kommt.«
    »Und die Kirche? Wird die durch das Nadelöhr kommen?«
    »Nein«, sagt er und lächelt wieder, »das wäre allerdings nicht gut möglich. Denn die Kirche ist ja das Nadelöhr.«
    Dieser Pfaffe ist verteufelt gescheit, denke ich mir, aber er hat nicht recht. Er hat nicht recht! Und ich sage: »Die Kirche dient also den Reichen und denkt nicht daran, für die Armen zu kämpfen –«
    »Sie kämpft auch für die Armen«, fällt er mir ins Wort, »aber an einer anderen Front.«
    »An einer himmlischen, was?«
    »Auch dort kann man fallen.«
    »Wer?«
    »Jesus Christus.«
    »Aber das war doch der Gott! Und was kam dann?« Er schenkt mir ein und blickt nachdenklich vor sich hin. »Es ist gut«, meint er leise, »daß es der Kirche heutzutage in vielen Ländern nicht gut geht. Gut für die Kirche.«
    »Möglich«, antworte ich kurz und merke, daß ich aufgeregt bin. »Doch kommen wir wieder auf jene Kinder in den Fenstern zurück! Sie sagten, als wir durch die Gasse gingen: ›Sie grüßen mich nicht, sie sind verhetzt.‹ Sie sind doch ein gescheiter Mensch, Sie müssen es doch wissen, daß jene Kinder nicht verhetzt sind, sondern daß sie nichts zum Fressen haben!«
    Er sieht mich groß an.
    »Ich meinte, sie seien verhetzt«, sagte er langsam, »weil sie nicht mehr an Gott glauben.«
    »Wie können Sie das von ihnen verlangen!«
    »Gott geht durch alle Gassen.«
    »Wie kann Gott durch jene Gasse gehen, die Kinder sehen und ihnen nicht helfen?«
    Er schweigt. Er trinkt bedächtig seinen Wein aus. Dann sieht er mich wieder groß an: »Gott ist das Schrecklichste auf der Welt.«
    Ich starre ihn an. Hatte ich richtig gehört? Das Schrecklichste?!
    Er erhebt sich, tritt an das Fenster und schaut auf den Friedhof hinaus. »Er straft«, höre ich seine Stimme.Was ist das für ein erbärmlicher Gott, denke ich mir, der die armen Kinder straft!
    Jetzt geht der Pfarrer auf und ab.
    »Man darf Gott nicht vergessen«, sagt er, »auch wenn wir es nicht wissen, wofür er uns straft. Wenn wir nur niemals einen freien Willen gehabt hätten!«
    »Ach, Sie meinen die Erbsünde!«
    »Ja.«
    »Ich glaube nicht daran.«
    Er hält vor mir.
    »Dann glauben Sie auch nicht an Gott.«
    »Richtig. Ich glaube nicht an Gott.« –
    »Hören Sie«, breche ich plötzlich das Schweigen, denn nun muß ich reden, »ich unterrichte Geschichte und weiß es doch, daß es auch vor Christi Geburt eine Welt gegeben hat, die antike Welt, Hellas, eine Welt ohne Erbsünde –«
    »Ich glaube, ihr irrt euch«, fällt er mir ins Wort und tritt an sein Bücherregal. Er blättert in einem Buch. »Da Sie Geschichte unterrichten, muß ich Ihnen wohl nicht erzählen, wer der erste griechische Philosoph war, ich meine:

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