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Jugend ohne Gott (German Edition)

Jugend ohne Gott (German Edition)

Titel: Jugend ohne Gott (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ödön von Horvath
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der älteste.«
    »Thales von Milet.«
    »Ja. Aber seine Gestalt ist noch halb in der Sage, wir wissen nichts Bestimmtes von ihm. Das erste schriftlich erhaltene Dokument der griechischen Philosophie, das wir kennen, stammt von Anaximander, ebenfalls aus der Stadt Milet – geboren 610, gestorben 547 vor Christi Geburt. Es ist nur ein Satz.«
    Er geht ans Fenster, denn es beginnt bereits zu dämmern, und liest:
    »Woraus die Dinge entstanden sind, darein müssen sieauch wieder vergehen nach dem Schicksal; denn sie müssen Buße und Strafe zahlen für die Schuld ihres Daseins nach der Ordnung der Zeit.«
    Der römische Hauptmann
    Vier Tage sind wir nun im Lager. Gestern erklärte der Feldwebel den Jungen den Mechanismus des Gewehres, wie man es pflegt und putzt. Heut putzen sie den ganzen Tag, morgen werden sie schießen. Die hölzernen Soldaten warten bereits darauf, getroffen zu werden.
    Die Jungen fühlen sich überaus wohl, der Feldwebel weniger. Er ist in diesen vier Tagen zehn Jahre älter geworden. In weiteren vier wird er älter aussehen, als er ist. Außerdem hat er sich den Fuß übertreten und wahrscheinlich eine Sehne verzerrt, denn er hinkt.
    Doch er verbeißt seine Schmerzen. Nur mir erzählte er gestern vor dem Einschlafen, er würde schon ganz gern wieder Kegel schieben, Karten spielen, in einem richtigen Bett liegen, eine stramme Kellnerin hinten hineinzwicken, kurz: zu Hause sein. Dann schlief er ein und schnarchte.
    Er träumte, er wäre ein General und hätt eine Schlacht gewonnen. Der Kaiser hätt alle seine Orden ausgezogen und selbe ihm an die Brust geheftet. Und an den Rücken. Und die Kaiserin hätt ihm die Fuß geküßt.
    »Was hat das zu bedeuten? « fragte er mich in aller Früh.
    »Wahrscheinlich ein Wunschtraum«, sagte ich. Er sagte, er hätte es sich noch nie in seinem Leben gewünscht, daß ihm eine Kaiserin die Fuß küßt. »Ichwerds mal meiner Frau schreiben«, meinte er nachdenklich, »die hat ein Traumbuch. Sie soll mal nachschauen, was General, Kaiser, Orden, Schlacht, Brust und Rücken bedeuten.«
    Während er vor unserem Zelte schrieb, erschien aufgeregt ein Junge, und zwar der L.
    »Was gibts?«
    »Ich bin bestohlen worden!«
    »Bestohlen?«
    »Man hat mir meinen Apparat gestohlen, Herr Lehrer, meinen photographischen Apparat!«
    Er war ganz außer sich.
    Der Feldwebel sah mich an. Was tun? lag in seinem Blick. »Antreten lassen«, sagte ich, denn mir fiel auch nichts Besseres ein. Der Feldwebel nickte befriedigt, humpelte auf den freien Platz, wo die Fahne wehte, und brüllte wie ein alter Hirsch:
    »Regiment antreten!«
    Ich wandte mich an den L:
    »Hast du einen Verdacht?«
    »Nein.«
    Das Regiment war angetreten. Ich verhörte sie, keiner konnte etwas sagen. Ich ging mit dem Feldwebel in das Zelt, wo der L schlief. Sein Schlafsack lag gleich neben dem Eingang links.
    Wir fanden nichts.
    »Ich halte es für ausgeschlossen«, sagte ich zum Feldwebel, »daß einer der Jungen der Dieb ist, denn sonst wären ja auch mal im Schuljahr Diebstähle vorgekommen. Ich glaube eher, daß die aufgestellten Wachen nicht richtig ihre Pflicht erfüllten, so daß die Räuberbande sich hereinschleichen konnte.«Der Feldwebel gab mir recht, und wir beschlossen, in der folgenden Nacht die Wachen zu kontrollieren. Aber wie?
    Ungefähr hundert Meter vom Lager entfernt stand ein Heuschober. Dort wollten wir übernachten und von dort aus die Wachen kontrollieren. Der Feldwebel von neun bis eins und ich von eins bis sechs.
    Nach dem Nachtmahl schlichen wir uns heimlich aus dem Lager. Keiner der Jungen bemerkte uns. Ich machte es mir im Heu bequem. –
    Um ein Uhr nachts weckt mich der Feldwebel.
    »Bis jetzt ist alles in Ordnung«, meldet er mir. Ich klettere aus dem Heu und postiere mich im Schatten der Hütte. Im Schatten?
    Ja, denn es ist eine Vollmondnacht.
    Eine herrliche Nacht.
    Ich sehe das Lager und erkenne die Wachen. Jetzt werden sie abgelöst. Sie stehen oder gehen ein paar Schritte hin und her.
    Osten, Westen, Norden, Süden – auf jeder Seite einer. Sie bewachen ihre photographischen Apparate.
    Und wie ich so sitze, fällt mir das Bild ein, das beim Pfarrer hängt und auch bei meinen Eltern.
    Die Stunden gehen.
    Ich unterrichte Geschichte und Geographie.
    Ich muß die Gestalt der Erde erklären und ihre Geschichte deuten.
    Die Erde ist noch rund, aber die Geschichten sind viereckig geworden.
    Jetzt sitze ich da und darf nicht rauchen, denn ich überwache die Wache.
    Es ist wahr: mein

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