Jugend ohne Gott (German Edition)
Beruf freut mich nicht mehr.Warum fiel mir nur jenes Bild wieder ein?
Wegen des Gekreuzigten? Nein.
Wegen seiner Mutter – nein. Plötzlich wirds mir klar: wegen des Kriegers in Helm und Panzer, wegen des römischen Hauptmanns.
Was ist denn nur mit dem?
Er leitete die Hinrichtung eines Juden. Und als der Jude starb, sagte er: »Wahrlich, so stirbt kein Mensch!«
Er hat also Gott erkannt.
Aber was tat er? Was zog er für Konsequenzen? Er blieb ruhig unter dem Kreuze stehen.
Ein Blitz durchzuckte die Nacht, der Vorhang im Tempel riß, die Erde bebte – er blieb stehen.
Er erkannte den neuen Gott, als der am Kreuze starb, und wußte nun, daß seine Welt zum Tode verurteilt war. Und?
Ist er etwa in einem Krieg gefallen? Hat er es gewußt, daß er für nichts fällt?
Freute ihn noch sein Beruf?
Oder ist er etwa alt geworden? Wurde er pensioniert? Lebte er in Rom oder irgendwo an der Grenze, wo es billiger war?
Vielleicht hatte er dort ein Häuschen. Mit einem Gartenzwerg. Und am Morgen erzählte ihm seine Köchin, daß gestern jenseits der Grenze wieder neue Barbaren aufgetaucht sind. Die Lucia vom Herrn Major hat sie mit eigenen Augen gesehen.
Neue Barbaren, neue Völker.
Sie rüsten, sie rüsten. Sie warten.
Und der römische Hauptmann wußte es, die Barbaren werden alles zertrümmern. Aber es rührte ihn nicht. Für ihn war bereits alles zertrümmert.
Er lebte still als Pensionist, er hatte es durchschaut. Das große römische Reich.
Der Dreck
Der Mond hängt nun direkt über den Zelten.
Es muß zirka zwei Uhr sein. Und ich denke, jetzt sind die Cafés noch voll.
Was macht jetzt wohl Julius Caesar?
Er wird seinen Totenkopf illuminieren, bis ihn der Teufel holt!
Komisch: ich glaube an den Teufel, aber nicht an den lieben Gott.
Wirklich nicht?
Ich weiß es nicht. Doch, ich weiß es! Ich will nicht an ihn glauben! Nein, ich will nicht!
Es ist mein freier Wille.
Und die einzige Freiheit, die mir verblieb: glauben oder nicht glauben zu dürfen.
Aber offiziell natürlich so zu tun, als ob.
Je nachdem: einmal ja, einmal nein.
Was sagte der Pfaffe?
»Der Beruf des Priesters besteht darin, den Menschen auf den Tod vorzubereiten, denn wenn der Mensch keine Angst vor dem Sterben mehr hat, wird ihm das Leben leichter.«
Satt wird er nicht davon!
»Aus diesem Leben des Elends und der Widersprüche«, sagte der Pfaffe, »rettet uns einzig und allein die göttliche Gnade und der Glaube an die Offenbarung.«
Ausreden!»Wir werden gestraft und wissen nicht wofür.«
Frag die Regierenden!
Und was sagte der Pfaffe noch?
»Gott ist das Schrecklichste auf der Welt.«
Stimmt! –
Lieblich waren die Gedanken, die mein Herz durchzogen. Sie kamen aus dem Kopf, kostümierten sich mit Gefühl, tanzten und berührten sich kaum.
Ein vornehmer Ball. Exklusive Kreise. Gesellschaft!
Im Mondlicht drehten sich die Paare.
Die Feigheit mit der Tugend, die Lüge mit der Gerechtigkeit, die Erbärmlichkeit mit der Kraft, die Tücke mit dem Mut.
Nur die Vernunft tanzte nicht mit.
Sie hatte sich besoffen, hatte nun einen Moralischen und schluchzte in einer Tour: »Ich bin blöd, ich bin blöd!« –
Sie spie alles voll.
Aber man tanzte darüber hinweg.
Ich lausche der Ballmusik.
Sie spielt einen Gassenhauer, betitelt: »Der einzelne im Dreck.«
Sortiert nach Sprache, Rasse und Nation stehen die Haufen nebeneinander und fixieren sich, wer größer ist. Sie stinken, daß sich jeder einzelne die Nase zuhalten muß.
Lauter Dreck! Alles Dreck!
Düngt damit!
Dünget die Erde, damit etwas wächst!
Nicht Blumen, sondern Brot!
Aber betet euch nicht an!
Nicht den Dreck, den ihr gefressen habt!
Fast vergaß ich meine Pflicht: vor einem Heuschober zu sitzen, nicht rauchen zu dürfen und die Wache zu kontrollieren.
Ich blicke hinab: dort wachen sie.
Ost und West, Nord und Süd.
Alles in Ordnung.
Doch halt! Dort geht doch was vor sich –
Was denn?
Im Norden.
Dort spricht doch der Posten mit jemand. Wer ist denn der Posten?
Es ist der Z.
Mit wem spricht er denn?
Oder ists nur der Schatten einer Tanne?
Nein, das ist kein Schatten, das ist eine Gestalt.
Jetzt scheint der Mond auf sie: es ist ein Junge. Ein fremder Junge.
Was ist dort los?
Der Fremde scheint ihm etwas zu geben, dann ist er verschwunden.
Der Z rührt sich kurze Zeit nicht, ganz regungslos steht er da.
Lauscht er?
Er sieht sich vorsichtig um und zieht dann einen Brief aus der Tasche. Ach, er hat einen Brief bekommen!
Er erbricht ihn
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