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Jugend ohne Gott (German Edition)

Jugend ohne Gott (German Edition)

Titel: Jugend ohne Gott (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ödön von Horvath
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Fräulein Nelly.
    Ich läute an Tür siebzehn. Eine Blondine öffnet und sagt: »Servus! Komm nur herein!«
    Ich kenne sie nicht.
    Im Vorzimmer hängt der dunkelgrüne Mantel, auf dem Tischchen liegt der rote Hut. Sie ist es.
    Jetzt wird sie böse werden, daß ich nur wegen einer Auskunft komme. Ich verspreche ihr also ein Honorar, wenn sie mir antwortet. Sie wird nicht böse, sondern mißtrauisch. Nein, ich bin kein Polizist, versuche ich zu beruhigen, ich möchte ja nur wissen, warum sie gestern hinter dem Jungen ausgespuckt hat?
    »Zuerst das Geld«, antwortet sie.
    Ich gebe es ihr.
    Sie macht sichs auf dem Sofa bequem und bietet mir eine Zigarette an.
    Wir rauchen.
    »Ich rede nicht gern darüber«, sagt sie.
    Sie schweigt noch immer.
    Plötzlich legt sie los: »Warum ich ausgespuckt hab, ist bald erklärt: es war eben einfach ekelhaft! Widerlich!« Sie schüttelt sich.
    »Wieso?«
    »Stellen Sie sich vor, er hat dabei gelacht!«
    »Gelacht?«
    »Es ist mir ganz kalt heruntergelaufen, und dann bin ich so wild geworden, daß ich ihm eine Ohrfeige gegeben hab! Da ist er gleich vor den Spiegel gerannt und hat gesagt: es ist nicht rot! Immer hat er nur beobachtet, beobachtet! Wenns nach mir ging, würd ich ja diesen Kerl nie mehr anrühren, aber leider werde ich nochmal das Vergnügen haben müssen –«
    »Nochmal? Wer zwingt Sie denn dazu?«
    »Zwingen lasse ich mich nie, nicht die Nelly! Aber ich erweise damit jemand einen freiwilligen Gefallen, wennich mich mit dem Ekel noch einmal einlaß – ich muß sogar so tun, als wär ich in ihn verliebt!«
    »Sie erweisen damit jemandem einen Gefallen?«
    »Ja, weil ich eben diesem jemand auch sehr zu Dank verpflichtet bin.«
    »Wer ist das?«
    »Nein, das darf ich nicht sagen! Das sagt die Nelly nicht! Ein fremder Herr.«
    »Aber was will denn dieser fremde Herr?«
    Sie sieht mich groß an und sagt dann langsam:
    »Er will einen Fisch fangen.«
    Ich schnelle empor und schreie: »Was?! Einen Fisch?!« Sie erschrickt sehr.
    »Was ist Ihnen?« fragt sie und drückt rasch ihre Zigarette aus. »Nein – nein, jetzt spricht die Nelly kein Wort mehr! Mir scheint, Sie sind ein Verrückter! Gehen wir, gehen wir! Adieu!«
    Ich gehe und torkle fast, ganz wirr im Kopf.
    Wer fängt den Fisch?
    Was ist los?
    Wer ist dieser fremde Herr?

Als ich nach Hause komme, empfängt mich meine Hausfrau besorgt. »Es ist ein fremder Herr hier«, sagt sie, »er wartet auf Sie schon seit einer halben Stunde, und ich hab Angst, etwas an ihm stimmt nämlich nicht. Er sitzt im Salon.«
    Ein fremder Herr?
    Ich betrete den Salon.
    Es ist Abend geworden, und er sitzt im Dunklen.
    Ich mache Licht.
    Ach, Julius Caesar!
    »Endlich!« sagt er und illuminiert seinen Totenkopf.
    »Jetzt spitzen Sie aber Ihre Ohren, Kollega!«
    »Was gibts denn?«
    »Ich habe den Fisch.«
    »Was?!«
    »Ja. Er schwimmt schon um den Köder herum, immer näher – heut nacht beißt er an! Kommen Sie, wir müssen rasch hin, der Apparat ist schon dort, höchste Zeit!«
    »Was für ein Apparat?«
    »Werd Ihnen alles erklären!«
    Wir gehen rasch fort.
    »Wohin?«
    »In die Lilie!«
    »In wohin?«
    »Wie sag ichs meinem Kinde? Die Lilie ist ein ordinäres Animierlokal!«
    Er geht sehr rasch, und es beginnt zu regnen.
    »Regen ist gut«, sagt er, »bei Regen beißen sie eher an.«
    »Hören Sie«, schreie ich ihn an, »was haben Sie vor!«
    »Ich erzähl alles, sowie wir sitzen! Kommen Sie, wir werden naß!«
    »Aber wie kommen Sie dazu, den Fisch zu fangen und mir nichts zu sagen?!«
    »Ich wollte Sie überraschen, lassen Sie mir die Freud!« Plötzlich bleibt er stehen, obwohl es jetzt stark regnet und er große Eile hat.
    Er sieht mich sonderbar an und sagt dann langsam: »Sie fragen«, und mir ists, als betonte er jedes Wort,»Sie fragen mich, warum ich den Fisch fange? Sie haben mir doch davon erzählt, vor ein paar Tagen – erinnern Sie sich? Sie haben sich dann an einen anderen Tisch gesetzt, und es fiel mir plötzlich auf, wie traurig Sie sind wegen dem Mädel, und da war es mir so, daß ich Ihnen helfen muß. Erinnern Sie sich, wie Sie dort an dem Tisch gesessen sind – ich glaube, Sie schrieben einen Brief.«
    Einen Brief?!
    Ja, richtig! Den Brief an meine Eltern!
    Als ich es endlich über mich brachte: »Gott wird schon helfen« – Ich wanke.
    »Was ist Ihnen? Sie sind ja ganz blaß?« höre ich Caesars Stimme.
    »Nichts, nichts!«
    »Höchste Zeit, daß Sie einen Schnaps bekommen!«
    Vielleicht!
    Es regnet, und das

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