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Jugend ohne Gott (German Edition)

Jugend ohne Gott (German Edition)

Titel: Jugend ohne Gott (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ödön von Horvath
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Wasser wird immer mehr.
    Mich schaudert.
    Einen winzigen Augenblick lang sah ich das Netz.

Die Lilie ist kaum zu finden, so finster ist die ganze Umgebung.
    Drinnen ist es nicht viel heller.
    Aber wärmer, und es regnet wenigstens nicht herein.
    »Die Damen sind schon da«, empfängt uns die Besitzerin und deutet auf die dritte Loge.
    »Bravo!« sagt Caesar und wendet sich zu mir: »Die Damen sind nämlich meine Köder. Die Regenwürmer, gewissermaßen.«
    In der dritten Loge sitzt das Fräulein Nelly mit einer dicken Kellnerin.
    Nelly erkennt mich sogleich, schweigt jedoch aus Gewohnheit.
    Sie lächelt nur sauer.
    Caesar hält perplex.
    »Wo ist der Fisch?« fragt er hastig.
    »Er ist nicht erschienen«, sagt die Dicke. Es klingt so traurig monoton.
    »Er hat mich sitzenlassen«, meint Nelly und lächelt süß.
    »Zwei Stunden hat sie vor dem Kino gewartet«, nickt die Dicke resigniert.
    »Zweieinhalb«, korrigiert Nelly und lächelt plötzlich nicht mehr. »Ich bin froh, daß das Ekel nicht gekommen ist.«
    »Na sowas«, meint Caesar und stellt mich den Damen vor: »Ein ehemaliger Kollege.«
    Die Dicke mustert mich, und das Fräulein Nelly blickt in die Luft. Sie richtet ihren Büstenhalter.
    Wir setzen uns.
    Der Schnaps brennt und wärmt.
    Wir sind die einzigen Gäste.
    Die Besitzerin setzt sich die Brille auf und liest die Zeitung. Sie beugte sich über die Bar, und es sieht aus, als würde sie sich die Ohren zuhalten.
    Sie weiß von nichts und möchte auch von nichts wissen. Wieso sind die beiden Damen Regenwürmer?
    »Was geht hier eigentlich vor sich?« frage ich Caesar. Er beugt sich ganz nahe zu mir: »Ich wollte Sie ursprünglich eigentlich vorher gar nicht einweihen, verehrter Kollega, denn es ist und bleibt eine ordinäre Geschichte, und Sie sollten nichts damit zu tun haben; aberdann dachte ich, es könnt vielleicht doch nichts schaden, wenn wir noch einen Zeugen hätten. Wir drei, die beiden Damen und ich, wollten nämlich die Tat rekonstruieren.«
    »Rekonstruieren?!«
    »Gewissermaßen.«
    »Aber wieso denn?!«
    »Wir wollten, daß der Fisch den Mord wiederholt.«
    »Wiederholt?!«
    »Ja, Und zwar nach einem altbewährten genialen Plan. Ich wollte nämlich die ganze Affäre in einem Bett rekonstruieren.«
    »In einem Bett?!«
    »Passen Sie auf, Kollega«, nickt er mir zu und illuminiert seinen Totenkopf, »das Fräulein Nelly sollte den Fisch vor dem Kino erwarten, denn er meint nämlich, daß sie ihn liebt.«
    Er lacht.
    Aber das Fräulein Nelly lacht nicht mit. Sie schneidet nur eine Grimasse und spuckt aus.
    »Spuck hier nicht herum!« grinst die Dicke.
    »Das freie Ausspucken ist behördlich verboten!«
    »Die Behörde darf mich«, beginnt Nelly.
    »Also nur keine Politik!« fällt ihr Caesar ins Wort und wendet sich wieder mir zu: »Hier in dieser Loge sollte unser lieber Fisch besoffen gemacht werden, bis er nicht mehr hätt schwimmen können, so daß man ihn sogar mit der Hand hätt fangen können – dann wären die beiden Damen mit ihm dort hinten durch die Tapetentür aufs Zimmer gegangen. Und hierauf hätte sich folgerichtig und logischerweise folgendes entwickelt:
    Der Fisch wäre eingeschlafen.
    Die Nelly hätte sich auf den Boden gelegt, und dies rundliche Kind hätte sie mit einem Leintuch zugedeckt, ganz und gar, als wär sie eine Leiche.
    Dann hätt sich meine liebe Rundliche auf den schlafenden Fisch gestürzt und hätt gellend geschrien: ›Was hast du getan?! Menschenskind, was hast du getan?!‹
    Und ich wär ins Zimmer getreten und hätt gesagt: ›Polizei!‹ und hätts ihm auf den Kopf zugesagt, daß er in seinem Rausch die Nelly erschlagen hat, genau so wie seinerzeit den anderen – wir hätten eine große Szene aufgeführt, und ich hätt ihm auch ein paar Ohrfeigen gegeben – ich wette, Kollega, er hätt sich verraten! Und wenns auch nur ein Wörtchen gewesen war, ich hätt ihn aufs Land gezogen, ich schon!«
    Ich muß lächeln.
    Er sieht mich an, fast unwillig.
    »Sie haben recht«, sagt er, »der Mensch denkt und Gott lenkt – wenn wir uns ärgern, daß einer nicht anbeißt, dann zappelt er vielleicht schon im Netz.«
    Es durchzuckt mich. Im Netz?!
    »Lächeln Sie nur«, höre ich Caesar, »Sie reden ja immer nur von dem unschuldigen Mädel, aber ich denk auch an den toten Jungen!«
    Ich horche auf.
    An den toten Jungen?
    Ach so, der N – den hab ich ja ganz vergessen. –
    Ich dachte an alle, alle – sogar an seine Eltern denke ich manchmal, wenn auch nicht gerade

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