Julia Ärzte zum Verlieben Band 42
nicht zum Arzt gegangen und hatte seine Atemnot dem Umstand zugeschrieben, dass er keinen Sport trieb und daher nicht besonders fit war. Die Müdigkeit erklärte er damit, dass er und seine Frau zwei kleine Kinder hatten und oft nicht genug Schlaf bekamen. Auch bei den ersten Untersuchungen gab es keine Hinweise, dass der Siebenunddreißigjährige herzkrank war. Erst nach einem CT und einer Herzkatheteruntersuchung konnte man den recht seltenen Zustand zweifelsfrei feststellen. Danach stand Anna vor der Entscheidung, selbst zu operieren oder Colin an einen Kollegen zu überweisen, der über mehr Erfahrung verfügte.
Dann machte die Nachricht von Luke Davenports Rückkehr die Runde, sodass das Team nach sorgfältiger Abwägung beschlossen hatte, den Eingriff noch etwas aufzuschieben. Wenn Colin im St. Piran, in der Nähe seiner Familie, bleiben konnte, würde das seine Genesung beschleunigen. Und auch für seine Frau bedeutete das weniger Stress, da sie ihren Mann jederzeit besuchen konnte, ohne erst lange fahren oder eine Betreuung für ihre Kinder organisieren zu müssen.
Luke hatte begonnen, das Perikard vom Herzmuskel zu schälen. Wie alle anderen blickte auch der Anästhesist fasziniert auf das Operationsfeld.
„Sieht aus wie Plastik“, meinte jemand.
Wieder dieser fast mürrische Laut, der alles Mögliche bedeuten konnte, dann herrschte erneut Schweigen im OP. Wenn Luke Instrumente verlangte oder Anweisungen gab, dann knapp und präzise. Dass Anna ihm assistierte, schien er kaum wahrzunehmen.
Sie seufzte stumm. Operieren mit diesem Mann dürfte alles andere als entspannt sein. Nicht dass er sich nicht voll konzentrieren sollte, nein, das meinte sie nicht. Aber Anna bezog ihr Team immer mit ein, wenn sie operierte. Sie bat um Meinungen und gab ihr Wissen weiter, so wie es von ihren früheren Lehrmeistern gewohnt war.
Als Dr. Davenports Assistentin würde sie karrieretechnisch auf der Stelle treten. Immer die Zweitbeste sein, die neue Verfahren und Methoden nur durch Zusehen lernte. Anna spürte, wie die vertraute Frustration sie packte. Selbst wenn sie sich auf eine andere Chefarztstelle bewarb, würden die meisten Mitbewerber Männer sein und das entscheidende Gremium aus Männern bestehen. Aus hoch angesehenen, mächtigen Alphatieren wie der Mann auf der anderen Seite des OP-Tisches, die sich nicht so leicht davon überzeugen ließen, dass eine Frau das Gleiche leisten konnte wie sie.
Diese Unzufriedenheit, auf dem Weg an die Spitze immer wieder gegen eine Wand zu laufen, hatte Anna während ihrer gesamten Laufbahn begleitet. Wie ein störendes Kratzen im Hals, das inzwischen chronisch geworden war. So war es auch jetzt, und trotzdem nahm unerwartet ein anderer Gedanke Gestalt an, während sie Luke bei der Arbeit zusah.
Von diesem Mann konnte sie allein durch Beobachtung tatsächlich etwas lernen. Mit einem exzellenten Timing nutzte er die Momente, in denen sich das Herz mit Blut füllte, und löste wieder ein Stückchen des Panzers. Schlug es, um Blut in den Kreislauf zu pumpen, hielt Luke das Skalpell still.
Ausrüstung und Personal standen bereit, um den Patienten, falls nötig, jederzeit an die Herz-Lungen-Maschine anzuschließen. Luke wollte kein Risiko eingehen, denn der schwierigste Teil der Operation, nämlich das verhärtete Gewebe von der Unterseite des Herzmuskels zu entfernen, stand noch bevor.
Bisher ging jedoch alles glatt. Das Team arbeitete sehr effizient, und über Dr. Bartlett konnte er sich auch nicht beschweren. Sie war gut, hatte sich seiner Vorgehensweise so perfekt angepasst, dass es ihm vorkam, als hätte er plötzlich zwei Hände mehr. Kleinere zwar, aber auch sehr geschickt. Vielleicht wäre es besser, wenn sie die Arbeit an der Unterseite übernahm.
Es blieb bei dem flüchtigen Gedanken, Luke widmete sich seiner Aufgabe. Während Anna die Ränder des Perikards hielt, setzte er feine Schnitte, immer möglichst dicht an dem beengenden Panzer. Kaum ein Millimeter Spielraum. Luke war sich der angespannten Atmosphäre im Raum bewusst. Er hätte sie ein bisschen auflockern können, indem er gelegentlich etwas sagte, aber daran lag ihm nichts.
Alle beobachteten ihn genau, fast mit angehaltenem Atem, so schien es. Es war seine erste Operation, seit er die Leitung der Abteilung wieder übernommen hatte. Man würde ihn beurteilen und sich wahrscheinlich fragen, ob ihn die Zeit im Kriegsgebiet verändert hatte … als Chirurg und persönlich.
Sicher. Er hatte viel gelernt. Die
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