JULIA ARZTROMAN Band 26
da sind. Lucy, ich habe euch Kekse in mein Büro gestellt. Dort seid ihr ungestört. Dragan musste zu einem Hausbesuch, wird also ein bisschen später dazukommen. Wollen wir kurz einen Rundgang machen, bevor die Sprechstunde wieder anfängt? Danach lasse ich euch allein.“
Kate und Ben gingen voran, und Lucy folgte ihnen. Aber er brauchte sie nicht zu sehen, ihr Bild hatte sich ihm unauslöschlich eingebrannt. Ben folgte der Praxismanagerin zum Empfang, lächelte flüchtig die Mitarbeiterinnen hinter dem Tresen an, nickte den wartenden Patienten zu und nahm vage ein paar Kinder wahr, die in der bunt gestalteten Spielecke saßen. Vor ihm ging eine breite Treppe in den ersten Stock hinauf. Rechter Hand führte ein kurzer Flur zu den vier Sprechzimmern und zum Fahrstuhl.
„Der Aufzug ist ziemlich groß“, sagte Kate, als sie die Kabine betraten. „Kinderwagen, Rollstühle, das ist alles kein Problem. Nur bei Tragen wird es kritisch. Bisher brauchten wir sie auch nicht. Patienten, die bei uns kollabiert sind, waren meistens bei einem der Ärzte, und deren Räume sind im Erdgeschoss. Und in den wenigen anderen Fällen haben die Sanitäter sie ohne Trage im Lift nach unten bringen können. Leider ist das Gebäude nicht großzügiger angelegt, aber wir machen das Beste aus dem, was wir haben.“
„Wie lange besteht die Praxis schon?“
„Seit zwei Jahren. Nach Phils Tod gab es lange keinen Arzt in Penhally Bay. Als auch noch eine Praxis im Nachbarort dichtmachte, beschlossen Marco Avanti und Nick, die Lücke zu schließen, und gründeten die Gemeinschaftspraxis Penhally Bay Surgery.“
Die Fahrstuhltüren glitten auf, und Kate deutete auf die Räume rechts und links des Flurs. „Hier oben haben wir das Schwesternzimmer, einen Behandlungsraum und die Räume für die kleine Wundversorgung. Die kann Lucy Ihnen gleich zeigen, weil sie sich dort besser auskennt als ich.“
„Gibt es ein Wartezimmer?“, fragte er, um sich von Lucy abzulenken, die gerade hinter einer Tür mit der Aufschrift Privat verschwand.
„Eher ein paar Stühle. Wir brauchen sie höchstens mal im Sommer, wenn wir mehr zu tun haben“, antwortete Kate. „Normalerweise rufen wir die Patienten einzeln herauf. Aufenthaltsraum, Dusche und WC fürs Personal befinden sich auch hier oben, dazu eine weitere Patiententoilette und die Lagerräume. Und hier ist mein Büro.“ Sie zog die Tür auf und bat ihn herein. „Nehmen Sie Platz, Lucy kommt gleich nach. Ich setze schon mal Teewasser auf.“
Ben hatte nicht die Ruhe, sich hinzusetzen. Er trat ans Fenster. Von hier aus hatte man einen weiten Blick auf die Bootsanleger, die Rettungsbootstation und aufs Meer.
Nicht dass er richtig wahrnahm, was er sah. Hätte man ihn gefragt, welche Farbe die Wände unten im Erdgeschoss hatten oder mit welchen Möbeln Kates Büro eingerichtet war, er hätte es im ersten Moment nicht sagen können. Das Bild von Lucy, als sie aus ihrem Wagen stieg, spukte ihm immer noch im Kopf herum.
Die Tür öffnete sich. Lucy kam herein. Kate entschuldigte sich und verschwand.
Anscheinend hatte sie Mühe, ihn direkt anzusehen. Ben entdeckte einen wachsamen Ausdruck in ihren sanften braunen Augen, zusammen mit wechselnden Emotionen, die er nicht zu deuten wusste. Er wollte gar nicht wissen, was er für ein Gesicht machte, aber er hielt ihren Blick fest.
Lucy errötete und sah weg. „Möchtest … möchtest du Tee?“, sagte sie in die betretene Stille hinein.
Ben lachte harsch auf. „Sollten wir uns nicht erst unterhalten?“
Sie biss sich auf die Lippe. „Das will ich doch“, begann sie.
„Ach, wirklich?“ Er lehnte sich gegen den Schreibtisch und packte die massive Platte so fest, als hinge sein Leben davon ab. „Wann genau? Vielleicht bin ich ein wenig voreilig, aber falls das da unter deinem Pulli kein Basketball ist, kann es sein, dass ich etwas damit zu tun habe?“
Ihr Kopf flog hoch, ihre dunklen Augen sprühten Blitze. „Voreilig? Was heißt hier voreilig? Glaubst du, ich schlafe mit dir und gehe gleich danach mit einem anderen Mann ins Bett?“
Er zuckte mit den Schultern, wollte nicht zu früh hoffen, dass es wirklich sein Kind war. „Keine Ahnung. Ich weiß nicht viel über dein Privatleben. Nicht mehr“, fügte er bedauernd hinzu.
„So gut solltest du mich schon kennen und wissen, dass das nicht meine Art ist.“
„Wie bist du dann, Lucy?“ Der mühsam unterdrückte Ärger ließ sich kaum noch bändigen. „Wie dein Vater? Wenn dir etwas nicht
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