Julia Arztroman Band 62
ich weiß nicht, ob ich mit dem Stress auf lange Sicht klarkomme“, gestand Rosie.
„Ach, daran gewöhnt man sich“, erwiderte Gina freundlich, um die junge Frau nicht zu entmutigen, und stand auf. „Aber jetzt sollten wir zusehen, dass wir ein Bett freimachen. Mr Walker soll auf die Kardiologie verlegt werden. Vielleicht können wir die Kollegen dort überreden, ihn etwas früher als geplant aufzunehmen.“
Gina ging voraus und schaute auf dem Weg kurz ins Stationszimmer, um die anderen Schwestern über den Neuzugang zu informieren. „Ich weiß, wir platzen aus allen Nähten“, sagte sie und lächelte, als ihre Freundin Julie Grey laut aufstöhnte. „Demnächst werden wir die Patienten noch in unserem Aufenthaltsraum unterbringen müssen.“
„Prima, und wir trinken unseren Kaffee dann auf dem Flur“, murmelte Julie.
„So weit wird es hoffentlich nicht kommen“, meinte Gina und setzte ihren Weg fort. Sie wollte noch kurz ein paar Worte mit Frank Walker wechseln. Er war gegen Mittag mit Brustschmerzen eingeliefert worden. Bei den folgenden Untersuchungen wurde eine Verstopfung von drei Herzkranzgefäßen festgestellt, die eine Bypass-Operation notwendig machte. Mit einem aufmunternden Lächeln trat Gina an sein Bett.
„Wie geht es Ihnen jetzt, Mr Walker?“
„So lala. Dank der Medikamente haben die Schmerzen ein wenig nachgelassen.“ Er seufzte. „Bin ja selbst schuld daran. Meine Frau drängt mich schon seit Jahren, mit dem Rauchen aufzuhören und mich gesünder zu ernähren.“
„Ja, es ist nicht immer leicht, einen gut gemeinten Rat anzunehmen“, erwiderte Gina taktvoll. „Aber Sie werden sehen, nach dieser Operation fühlen Sie sich gleich viel wohler.“
„Glauben Sie?“ Frank wirkte besorgt. „Dieser junge Arzt, der mich vorhin untersuchte, hat die Operation zwar als Kleinigkeit abgetan, aber trotzdem macht man sich doch Sorgen, oder? Ich meine, dabei wird ja schließlich das Herz angehalten und alles.“
„Ja, das ist richtig. Aber Sie werden an eine Maschine angeschlossen, die die Aufgaben des Herzens und der Lunge übernimmt“, erklärte Gina und wünschte sich nicht zum ersten Mal, dass Miles Humphreys etwas einfühlsamer mit seinen Patienten umginge. Für ihn mochte so eine OP reine Routine sein, nicht aber für die Betroffenen.
„Dann glauben Sie also auch, dass dieser Eingriff nicht gefährlich ist, Schwester? Sollte ich mich wirklich operieren lassen?“
„Unbedingt. Es ist zwar eine größere Operation, doch wir führen sie beinahe täglich durch. Und ich kann Ihnen versichern, dass die Herzchirurgen hier am St Saviour´s bestens dafür ausgebildet sind.“ Sie tätschelte Franks Hand. „Alles wird gut, das verspreche ich Ihnen. Wir werden Sie jetzt gleich auf die Kardiologie verlegen.“
„Ich danke Ihnen.“ Frank lächelte Gina an. „Jetzt geht es mir schon viel besser. Schade nur, dass dieser junge Arzt sich nicht wie Sie die Zeit genommen hat, meine Ängste zu zerstreuen. Vielleicht könnten Sie ihm bei Gelegenheit ein paar Tipps geben, wie man Patienten beruhigt.“
Gina lächelte, erwiderte aber nichts. Mit Miles zu reden war etwas, was sie nach Möglichkeit vermied. Seit dem Tag, als er sich mit ihr verabreden wollte und sie ihm einen Korb gegeben hatte, herrschte Eiszeit zwischen ihnen. Wenn er doch nur verstehen könnte, dass sie es nicht persönlich gemeint hatte.
Gina schüttelte den Kopf, als sie zum Telefon ging, um auf der Kardiologie anzurufen. Die Wahrheit war, dass sie weder an Miles noch an irgendeinem anderen Mann interessiert war. Sie hatte einmal mit einer Liebe Schiffbruch erlitten, und das wollte sie kein zweites Mal riskieren … Nicht, wenn die Möglichkeit bestand, dass Lily darunter zu leiden hätte. Im Augenblick hatte Gina nur einen Wunsch, nämlich dass ihre zweijährige Tochter glücklich und zufrieden aufwachsen konnte. Für eine Beziehung war in ihrem Leben darum kein Platz.
Gina saß wieder an ihrem Computer, um endlich die Bestellungen abzuschicken, als sie hörte, wie die Pfleger die Bahre mit dem angekündigten Patienten hereinrollten und Julie sie zu dem gerade frei gewordenen Platz dirigierte. Seufzend stand Gina auf, um nach dem neuen Patienten zu sehen.
„Und, wen haben wir hier?“, fragte sie und nahm die Krankenakte zur Hand, die am Fußende des Betts in einer Halterung steckte. Sie überflog die Daten. Name: Marco Andretti. Alter: 37. Adresse: Villa Rosa, Florenz, Italien. Im ersten Moment registrierte sie die
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