Julia Bestseller Band 142
schlafe.“
Nein, das würde er nicht. Er würde Sex mit ihr haben und sie vergessen. Für dieses Leben hatte Rafael sich entschieden. Jede Form von Selbsttäuschung hatte er vor langer Zeit aufgegeben. „Ich halte nichts von Seelenzergliederungen. Wenn du mit mir schläfst, wird es keine Fragen geben. Das kann ich dir versprechen.“ Er strich sich mit der Hand übers Gesicht, um den Regen abzustreifen. „Ehrlich gesagt kümmert es mich nicht, ob wir überhaupt reden.“
„Das ist ja vielleicht romantisch.“
Er trat einen Schritt auf sie zu, stützte eine Hand gegen den Baumstamm und stellte sich direkt vor Grace. „Romantisch sind die Lügen, die Menschen einander erzählen, um den Sturz ins Bett abzufedern. Und ich lüge nie. Und was ist mit dir, Grace? Wirst du die Lügen auftischen, die Frauen immer von sich geben? Denn dann wäre jetzt der Moment, mir zu sagen, dass du mich liebst. Allerdings wissen wir beide, dass das nicht stimmt. Hier geht es um etwas anderes, nämlich um körperliche Anziehungskraft.“
„Du verwirrst mich.“
„Ich bin nur sehr direkt. Nicht ich, sondern die Menschen um mich herum treiben ihre Spielchen, Miss Thacker.“
„Ich täusche niemanden. Genauso wenig schlafe ich mit Männern, die ich nicht kenne.“
„Sex ist Sex. Man muss es nicht komplizierter machen.“
Entsetzt sah sie ihn an. „Du meinst, dass du heute Liebe mit mir machst und morgen deinen Kredit zurückziehst?“
„Liebe?“ Allein das Wort auszusprechen hinterließ einen bitteren Nachgeschmack bei ihm. „Nicht Liebe. Von Liebe habe ich nicht gesprochen.“
Etwas flackerte in ihren blauen Augen auf. „Dann eben Sex ohne Gefühle.“
„Sex …“ Er drängte sich näher an sie und spürte, wie es sofort wieder heiß zwischen ihnen knisterte. „Es ist ein Appetit, wie Hunger oder Durst. Ein Bedürfnis, das gestillt werden will.“
„Das meinst du doch wohl nicht ernst.“ Energisch trat sie auf den Pfad und rieb sich über die fröstelnden Arme. „Ich habe mir eingeredet, du könntest unmöglich so kalt sein, wie alle behaupten. Die Leute sagen, du hättest eine schwere Zeit hinter dir und deshalb Probleme mit Gefühlen.“
Frustriert biss Rafael die Zähne zusammen. Warum taten Frauen das immer wieder? Warum mussten sie jede Situation bis ins letzte Detail analysieren?
„Wenn es etwas gibt, was meine Libido noch zuverlässiger abkühlt als eine Lügnerin, dann ist es eine Amateurpsychologin“, meinte er, schwang den Rucksack über die Schultern und ging an ihr vorbei auf den Pfad. „Sex ist Sex, minha paixão . Allerdings besitzen nur wenige Frauen den Mut, diese Tatsache anzuerkennen. Sie ziehen es vor, die Angelegenheit in verworrene Emotionen zu kleiden. Nur deshalb fangen sie an zu weinen, wenn der Hunger gestillt ist und alles auseinanderfällt. Darum ist ja auch die Scheidungsrate so hoch.“
Wer beschäftigte sich jetzt mit Analysen? Dass sie ihn dazu brachte, über Themen zu sprechen, die er doch offensichtlich mied, ärgerte ihn. Mit großen Schritten marschierte er den Weg entlang. Noch wütender war Rafael aber auf sich selbst. Warum hatte er dieses Gespräch nicht schon früher beendet?
„Ist es das, was dir passiert ist?“
„Was hast du gesagt?“ Zornig wirbelte er herum.
Sie stand mitten auf dem Pfad, die blauen Augen blitzten, und auf ihren Lippen lag kein Lächeln. Ihr direkter Blick beunruhigte Rafael mehr, als er es je für möglich gehalten hatte.
Ohne zu wissen, warum, ging er zu ihr zurück. Er wusste nur eines: Er hatte genug von diesem Gespräch. Und von Grace Thacker. Von nun an würde er ihre Kurven, die Grübchen und die blonden Haare ignorieren. Manche Frauen waren einfach zu anstrengend. Sie gehörte definitiv dazu.
Und jetzt sah sie ihn aus großen Augen an. Genauso wie Frauen es immer taten, wenn sie erwarteten, dass er sich ihnen öffnete und ihnen seine tiefsten Geheimnisse anvertraute … die sie dann für eine unanständig hohe Summe an die nächste Zeitung verkaufen konnten.
„Ich habe gefragt“, entgegnete sie langsam, „ob dir das passiert ist. Es muss einen Grund für dein Verhalten geben.“
Oh, den gab es. Ein bitteres Lachen unterdrückend, fühlte Rafael sich mit einem Mal in die Vergangenheit zurückversetzt. Er blickte im Dschungel umher, aber er empfand keine Angst. Keine dunklen Erinnerungen. Der Wald war seine Zuflucht, er hatte ihn dazu gemacht.
„Warum ich mich so verhalte? Weil ich ein Mann bin und Männer so sind.“ Dass
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