Julia Bestseller Band 142
nicht bereit.
Grace war so tief in Gedanken versunken, dass sie mit ihm zusammenstieß, weil er unvermittelt stehen geblieben war.
„Entschuldigung.“ Hastig wich sie seiner hilfreich ausgestreckten Hand aus und blickte in die Bäume. „Warum halten wir?“
„Hier beginnt die fazenda .“
In seiner Stimme lag keinerlei Wärme. Er sprach wie ein Reiseleiter, der darauf trainiert war, die passenden Informationen zum richtigen Zeitpunkt abzuspulen.
Überrascht schaute Grace sich um, konnte aber rechts und links des Pfades nur dichten Dschungel erkennen. „Wir sind immer noch im Regenwald.“
„Der Kaffee wird mitten im Wald angebaut. Das Land hier gehört den Bauern. Sie leben und arbeiten in perfekter Harmonie mit der Natur.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Solche Dinge sind dir doch wichtig, Grace, nicht wahr?“
Also standen sie wieder am Anfang. Harte Blicke und sarkastische Kommentare, deren tiefere Bedeutung sie noch nicht herausgefunden hatte.
„Ja, darauf lege ich großen Wert. Und ich kenne die Geschichte der fazenda . Eben weil der Kaffee auf ökologisch verträgliche Weise angebaut wird, zahlen wir ja unseren Preis. Würden wir billigeren Kaffee kaufen, würdest du vielleicht jetzt schon Gewinne aus deinen Investitionen ziehen.“ Und vielleicht wärst du dann nicht so wütend. Ihn schien nur Geld zu interessieren, nichts sonst. Plötzlich musste Grace an seine Ehefrau denken.
War das der Grund, warum sie ihn verlassen hatte? Weil ihn nur Dollars, Cents und Profite scherten?
Das nunmehr vertraute zynische Funkeln war in seine Augen zurückgekehrt. „Ich schlage vor, wir verschieben diese Unterhaltung, bis du dich auf der fazenda umgesehen hast.“
Sie marschierten an Bächen und gestauten Wasserläufen entlang. Hin und wieder kamen sie an grasenden Ziegen und frei laufenden Hühnern vorbei. Auf einer Lichtung spielte ausgelassen eine Gruppe kleiner Kinder.
Schließlich näherten sie sich einigen Gebäuden, aus denen bei ihrer Ankunft ein Mann und eine Frau traten. Ihre schlichte Kleidung war staubig und abgetragen. Die körperliche Arbeit unter der brasilianischen Sonne hatte ihre Gesichter und Hände gezeichnet. Es war unmöglich, ihr Alter zu schätzen. Vielleicht waren sie Ende sechzig, aber sie konnten ebenso gut jünger sein.
Die Frau streckte die Arme aus. Sie begrüßte Rafael voller Wärme und Respekt. Er sprach schnell auf Portugiesisch. Hin und wieder glitt sein Blick zu Grace, sodass sie keinerlei Zweifel hegte, wer Thema dieses Gesprächs war.
Sich ihrer schäbigen Aufmachung bewusst, strich Grace sich die nassen Haare aus dem Gesicht. Doch die beiden Alten schien ihre schmutzige Kleidung überhaupt nicht zu interessieren.
Stattdessen hörten sie Rafael zu und bedachten Grace mit ängstlichen Blicken. Während er redete, schien das freudige Begrüßungslächeln auf den Gesichtern einzufrieren.
Grace seufzte. Was auch immer er über sie sagte, schmeichelhaft war es nicht. Auch wenn sie die Feindseligkeit nicht gänzlich verstand, eines stand fest: Er mochte sie nicht.
Außer in sexueller Hinsicht, blitzte ihr ein Gedanke auf. In dieser Hinsicht hatte sie durchaus bei ihm punkten können.
In dem älteren Paar ging jetzt eine Veränderung vor. Nun schauten sie Grace mit einer Mischung aus Angst, Beklommenheit und einer Spur … Wut an.
Plötzlich hatte sie den Eindruck, der spontane Besuch sei alles andere als willkommen. Sie berührte Rafael am Arm. „Sind sie über meine Anwesenheit verärgert?“
Aber Rafael ignorierte ihre Frage und unterhielt sich weiter mit dem Paar auf Portugiesisch. Er schien sie wegen irgendetwas zu beruhigen und hatte Erfolg damit. Die Frau griff nach seiner Hand und schaute ihn dankbar an.
Fasziniert beobachtete Grace, wie Rafaels Augen weich aufleuchteten und sich seine starken Finger um die von harter Arbeit gezeichneten Hände der alten Frau schlossen.
Also war er doch nicht so gefühllos, wie er sich gab.
Schließlich ließ er die Hand der Frau los und wechselte zurück ins Englische. Lächelnd trat Grace einen Schritt vor, als er ihr das ältere Paar vorstellte.
„Carlos und Filomena“, sagte er ruhig. „Gemeinsam mit ihrer großen Familie und einigen Arbeitern aus der nahe gelegenen Stadt bestellen sie das Land.“
Filomena sagte etwas auf Portugiesisch.
„Sie meint“, übersetzte Rafael, „sie freuen sich, dass du hier bist und sie die Gelegenheit erhalten, dir alles zu zeigen.“
Der seltsame Unterton in seinen Worten
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