Julia Bestseller Band 142
weiter. Und bei den wenigen Malen, die sie auf dem schlammigen Pfad ausrutschte, verlor sie nicht das Gleichgewicht. Sie hatte ihm nur finstere Blicke zugeworfen, die ihn davor warnten, seine Hilfe anzubieten.
Selbst als sie bei der Überquerung eines Flusses auf einem der glatten Steine ausgeglitten und ins Wasser gefallen war, hatte sie nichts gesagt. Stattdessen war sie einfach ans andere Ufer geschwommen.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie sich gerade mit einer ungeduldigen Handbewegung ein Insekt von der Schulter wischte. Ob ihr resolutes Auftreten tiefere Gründe hatte? Es konnte nicht nur eine Trotzreaktion auf seinen Kommentar über ihre Schuhe sein.
Was versuchte sie zu beweisen? Und wem?
Er wusste doch bereits alles über sie, was er zu wissen brauchte.
Alles wies darauf hin, dass sie eine Lügnerin und Betrügerin war.
Also weshalb drehte er sich immer wieder nach ihr um?
Warum war er sich ihrer Gegenwart so überaus bewusst?
Sie war schmutzig und durchnässt, trotzdem ging sie weiter. Wenn sie manchmal stehen blieb und in den Dschungel schaute, schimmerte keine Angst in ihren Augen, nur Interesse.
„Was ist das?“
Nachdem er sich umgedreht hatte, folgte er ihrem Blick. Rafael entdeckte nur Lianen, die einen alten Baum umrankten. „Was?“
„Der rote Vogel. Er ist wunderschön.“
Er betrachtete ihr Gesicht. Gehörte das zu ihrer Show? Unbeirrt beobachtete sie das kleine rote Federknäuel. Als sie ihm schließlich den Kopf zuwandte, lächelte sie.
„Sie wissen es nicht.“ Spott funkelte in ihren Augen, während sie an den Riemen des Rucksacks nestelte. „Dies hier ist praktisch Ihr Garten, aber sie kennen den Namen des Vogels nicht.“
„Wir sind hier nicht auf einer ‚Wunder-der-Natur‘-Tour“, erwiderte er grob. Ein Blitz leuchtete am Himmel. Eine Sekunde später wurde der Regen heftiger. „Wir stellen uns einen Moment unter“, sagte Rafael und zog Grace in den Schutz eines großen Baumes.
„Was hat das für einen Sinn?“, fragte sie lachend. „Ich bin in den Fluss gefallen. Nasser kann ich nicht werden.“ Und wie um ihren Standpunkt zu beweisen, nahm sie den Saum ihres T-Shirts in die Hände und wrang ihn aus. Dicke Wassertropfen fielen zu Boden. „Sehen Sie, was ich meine?“
Seit über einer Stunde waren sie jetzt unterwegs. Grace musste müde sein. Dennoch hatte sie sich mit keinem Wort beschwert. Widerwillig nahm Rafael zur Kenntnis, dass Bewunderung in ihm aufstieg. Er kannte keine andere Frau, die ihre High Heels fröhlich gegen Wanderschuhe eingetauscht hätte und dann munter durch den Regenwald gelaufen wäre.
Doch dann fiel ihm wieder ein, dass sie es wahrscheinlich gar nicht wagte, sich zu beklagen. Schließlich hoffte sie immer noch, ihm Geld abzuluchsen.
Wütend darüber, dass sein Körper trotzdem auf sie reagierte, spähte er in den Regen. Wenige Sekunden später ruhte Rafaels Blick wieder auf der jungen Frau.
Mit geschlossenen Augen lehnte sie an dem Baumstamm und atmete den Duft des Dschungels ein. Ihre Verwandlung vom Stadtmenschen in eine Waldnymphe hatte etwas unbeschreiblich Sinnliches an sich. Ihre Wangen waren gerötet, und Wassertropfen hafteten auf ihren Lippen. Sie schien fast mit der Natur zu verschmelzen. Es war, als sei sie Teil des Waldes, genau dort platziert, um einen Mann zu verführen.
Und sie war verführerisch.
Heiße Wogen der Lust hüllten ihn ein, während er den Blick von ihrem Mund abwandte und tiefer gleiten ließ.
Der Regen hatte das T-Shirt nahezu durchsichtig werden lassen. Rafael bot sich der atemberaubende Anblick kleiner fester Brüste und aufgerichteter Knospen, die sich deutlich unter dem Stoff abzeichneten. Die Hitze in seinem Innern stieg, als er die schmale Taille und die weiblichen Hüften betrachtete. Ihre Hose war voller Schlammspritzer und auf einer Seite gerissen. Auch die Schuhe wirkten nicht mehr neu, sondern schäbig. Und dennoch, Rafael konnte sich nicht erinnern, jemals eine Frau so intensiv begehrt zu haben.
Etwas Gefährliches regte sich in ihm. Einen Moment übergab er sich dem Gefühl der Lust, so mächtig und durchdringend, dass es ihm fast urtümlich vorkam.
Auch wenn sie von den Geräuschen des Waldes und dem strömenden Regen umgeben waren, hier, im Schutz des Baumes, gab es nur sie beide.
Vielleicht hatte Grace seinen Blick gespürt, denn sie öffnete langsam die Augen. Ihre Vorsicht wich Neugier, dann erkannte Rafael etwas ganz anderes auf ihrem Gesicht schimmern – etwas, das sie beide
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