Julia Exklusiv Band 0197
stets gelungen, Differenzen zu bereinigen.
Cleo warf Maxim einen raschen Blick zu und runzelte die Stirn. Vielleicht hing das Problem damit zusammen, dass er nicht der Vorstellung entsprach, die sie sich von einem Kunstmaler machte. Ein Klischee hatte ihr vorgeschwebt, ein schlampiger Bohemien mit langem, zerzaustem Haar, in einem schäbigen Kittel voller Farbflecken.
Aber Maxim trug eine gepflegte Frisur, kurz geschnitten, und lässige, aber teure Kleidung. Außerdem schien er großen Wert auf konventionelle Manieren zu legen.
Und ihr Aussehen beeindruckte ihn offenbar nicht im Mindesten. Daran war sie nicht gewöhnt. Nur zu gut wusste sie, welch unfaire Vorteile ihr die großen grünen Augen, das glänzende blonde Haar und die schlanke, geschmeidige Figur einbrachten. Diese Pluspunkte nutzte sie schamlos aus, seit sie – bereits in der Teenager-Zeit – deren Wirkung erkannt hatte. Um als Model an der Spitze zu bleiben, musste man hart arbeiten. Oft genügte nicht einmal das, also sah man sich genötigt, alle Vorzüge einzusetzen, die man aufweisen konnte. Bis jetzt war ihr Vater der einzige Mann gewesen, den sie mit ihrer äußeren Erscheinung nicht zu umgarnen vermochte. Natürlich erfüllte ihn der Erfolg seiner schönen Tochter mit großem Stolz. Aber sie hatte es noch nie geschafft, ihm gegenüber ihren Willen durchzusetzen, indem sie mit den Wimpern klimperte oder bezaubernd lächelte.
Offensichtlich konnte sie auch Maxim Brenner nicht auf diese Weise herumkriegen. Und das würde ihren Aufenthalt in seinem Haus noch komplizieren. Werde ich wirklich hierbleiben?, überlegte sie. Wollte sie denn nicht abreisen? Andererseits mochte sie das Wort nicht brechen, das sie ihrem Vater gegeben hatte, und ebenso wenig die Verantwortung für seinen finanziellen Verlust tragen. Leise seufzte sie und fragte Maxim: „Wie lange brauchen Sie, um das Portrait zu malen?“
Er zuckte die Schultern. „Das hängt von Ihrer Kooperationsbereitschaft ab.“
„Wie meinen Sie das?“
„Allem Anschein nach wurden Sie Ihr Leben lang verwöhnt und verhätschelt, und Sie tun immer nur, was Sie wollen. Falls es Ihnen im Grunde Ihres Herzens zuwider ist, sich von mir malen zu lassen, werden wir immer nur streiten.“
„Ich bin überhaupt nicht so, wie Sie glauben!“, protestierte Cleo. „Und ich will, dass dieses Portrait zustande kommt. Ich habe meinem Vater versprochen, das durchzustehen, und ich halte immer mein Wort.“
„Beinahe hätten Sie es gebrochen, als Sie vorhin wegrannten“, betonte er kühl.
„Weil ich nicht mit Ihrem unmöglichen Benehmen gerechnet hatte!“
Seine dunklen Augen funkelten. „Wenn Sie hierbleiben, werden Sie vielleicht noch andere unerwartete Dinge erleben.“
„Zum Beispiel?“, erkundigte sie sich müde.
„Am besten stellen wir gewisse Punkte von Anfang an klar. Ich bin nicht daran interessiert, Sie zu portraitieren. Dazu ließ ich mich nur überreden, weil Ihr Vater mir eine horrende Summe anbot. Ja, Sie sind schön mit Ihren ungewöhnlichen Augen und dem hellblonden Haar. Aber es hat mich noch nie gereizt, Schönheit auf die Leinwand zu bannen. Nach einiger Zeit wird so viel Vollkommenheit einfach langweilig. Ich male lieber Leute mit Charakter und Erfahrung – Menschen, die ein hartes, faszinierendes, gefährliches oder schwieriges Leben geführt haben. Schönheit verblasst irgendwann, aber ein starker Charakter bleibt bestehen.“
„Und Sie halten mich für charakterlos?“, fragte Cleo ärgerlich.
„Wie können Sie Charakter entwickelt haben, wenn Sie von Geburt an von Ihrem reichen Vater beschützt wurden? Niemals mussten Sie um irgendetwas kämpfen. Sicher erfüllte er Ihnen jeden Wunsch, schirmte Sie gegen die Außenwelt ab, gegen alle unangenehmen und bedrohlichen Dinge. Sogar jetzt wohnen Sie immer noch bei ihm, wenn Sie nicht als Model arbeiten. Sie verlassen sich auf sein Geld und seinen Schutz, um der harten Realität zu entfliehen. Wie alt sind Sie? Zwei- oder dreiundzwanzig? Sie haben noch nicht einmal begonnen, erwachsen zu werden. Nein, Cleo, ich glaube nicht, dass Sie Charakter besitzen.“
Mit diesem vernichtenden Urteil wandte er sich ab und ging hinaus. Zutiefst erschüttert von seinen Worten, war sie unfähig, zu widersprechen oder überhaupt etwas zu sagen.
2. KAPITEL
Eine Zeit lang stand Cleo reglos mitten in der Küche und vergaß, wie durchnässt sie war. Unentwegt kreisten ihre Gedanken um Maxims Worte. Er hat unrecht, sagte sie sich immer wieder,
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