Julia Exklusiv Band 0197
wusste sehr wohl, dass die damit verbundenen Risiken eher klein waren, aber sie existierten, sonst würde ihre Mutter noch leben.
Da sie keine Kinder haben wollte, erschien es ihr auch sinnlos zu heiraten. Ich brauche keinen Ehemann, sagte sie sich. Finanziell war sie unabhängig, sie übte einen interessanten Beruf aus, sie bewohnte mit ihrem Vater ein schönes Haus, und ihr Zusammenleben verlief problemlos. Es gab wirklich keinen Grund, warum sie heiraten sollte.
Es regnete immer stärker, und Cleo musste sich auf die Straße konzentrieren. Bald würde sie von der Autobahn abbiegen und nach Nordwesten in den Lake District fahren. Ihr Vater hatte ihr den Weg zu Maxim Brenners Haus genau beschrieben, aber bei diesem grässlichen Wetter konnte man sich leicht verirren.
Nachdem sie die Autobahn verlassen hatte, begannen niedrige Hügel aus dem Nebel aufzusteigen. Nasse Schafe drängten sich an die Hecken, um ein wenig Schutz vor dem Regen zu finden. Am frühen Nachmittag war es bereits so dunkel wie am Abend. Cleo spürte, wie ihre Depressionen unaufhaltsam zurückkehrten, und wünschte, sie hätte den Mut aufgebracht, ihrem Vater zu erklären, sie könne seine Bitte nicht erfüllen. Irgendwie kam es ihr unheimlich vor, dass ihr Bild neben dem Portrait der Mutter hängen sollte. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Ihr Vater hatte ihr ein Versprechen abgenommen, und sie war noch nie wortbrüchig geworden.
Wenn das Wetter nicht so grauenhaft wäre, würde ich mich besser fühlen, überlegte sie. Dieser endlose Regen, der graue Nebel – plötzlich sehnte sie sich nach dem heiteren, strahlenden Sonnenschein über den Bermudas.
Die Straße führte um Windermere und seine klatschnassen Touristen herum und wand sich zum Nordende des Sees, nach Ambleside, durch das verstopfte Einbahn-System des Städtchens. Müde und frustriert kämpfte sich Cleo durch die immer enger werdenden kurvenreichen Straßen.
Mehrmals hielt sie an, um einen Blick auf die Landkarte zu werfen, die der Vater ihr gegeben hatte. Sie verpasste eine schlecht gekennzeichnete Abzweigung, musste den Wagen wenden – kein leichtes Unterfangen auf der schmalen Straße mit dem tiefen Graben an einer Seite – und ein Stück zurückfahren. Maxim Brenner wohnte offenbar im entlegensten Teil dieser feuchtkalten Ecke von England. Irritiert runzelte Cleo die Stirn. Warum lebte er nicht in einer zivilisierteren Gegend?
Eine letzte Abzweigung führte sie in eine Allee, an deren Ende sie die dunkle Silhouette eines Hauses sah. Es war viel größer, als sie erwartet hatte, und wirkte, eingehüllt von Regenschleiern, ziemlich abweisend. Cleo bremste auf der gekiesten Zufahrt und hupte, um Maxim Brenner über ihre Ankunft zu informieren. Sie hoffte, er würde die Tür öffnen, damit sie hineinlaufen konnte, ohne völlig durchnässt zu werden.
Doch die Tür blieb geschlossen. Im Haus war kein Lebenszeichen zu erkennen, nicht einmal ein Vorhang bewegte sich. Nichts wies darauf hin, dass man Cleos Auto bemerkt hatte.
„Großartig“, flüsterte sie. Also musste sie wohl oder übel an die Tür klopfen und im strömenden Regen warten, bis sie Einlass fand. Seufzend zog sie die dünne Baumwolljacke enger um die Schultern. Sie hatte einen Regenmantel mitgenommen, aber der lag in ihrem Koffer – im Kofferraum. Wenn sie ihn auspackte, würde sie nass bis auf die Haut werden.
Sie stieß den Wagenschlag auf und rannte zum Eingang. Während sie den Klopfer mit aller Kraft gegen das Holz hämmerte, schüttelte sie Wassertropfen aus Haar und Kleidung. Niemand öffnete die Tür, und Cleos Verzweiflung wuchs. Was hatte das zu bedeuten? Maxim Brenner wusste doch, dass sie ankommen würde. Ihr Vater hatte ihn angerufen und ihm mitgeteilt, sie würde am Nachmittag eintreffen.
Wieder betätigte sie den Klopfer und trat erbost gegen die Tür, die weiterhin geschlossen blieb. „Das ist kein guter Anfang“, murmelte sie und ging ein paar Schritte nach hinten, um festzustellen, ob irgendwo ein Fenster offen stand. Das Haus sah unbewohnt aus.
Cleo fühlte sich versucht, einfach nach London zurückzufahren. Man konnte wohl kaum von ihr erwarten, hierzubleiben, wenn niemand daheim war, oder? Aber was würde ihr Vater sagen, wenn sie ihm gestand, dass sie nicht einmal versucht hatte, ins Haus zu gelangen? Wieder seufzte sie und beschloss, ihre Anwesenheit etwas energischer zu bekunden.
Sie hielt es für sinnlos, noch länger an die Vordertür zu klopfen. Offensichtlich war Maxim
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