Julia Extra 0357
räumte er spöttisch ein.
Ironischerweise kränkten seine Worte sie. Für sie empfand er nichts, aber er hatte schon einmal tiefere Gefühle für eine andere Frau gehegt? „Und wer war sie?“
„Ihr Name war Isabel. Wir haben zusammen in Oxford studiert. Ich war völlig vernarrt in sie.“ Er verzog das Gesicht. „Wir haben Gedichte gelesen und uns nur Händchen haltend in der Öffentlichkeit gezeigt.“
„So etwas tut man nun mal, wenn man verliebt ist“, bemerkte sie. Offenbar hatte er nie das Bedürfnis verspürt, ihr ein Gedicht vorzulesen oder ihre Hand zu halten, und das machte ihr zu schaffen.
„Es hat sich zu einem einzigen Albtraum entwickelt“, fuhr er dann fort, einen traurigen Ausdruck in den Augen. „Sie war wahnsinnig eifersüchtig und besitzergreifend. Bei jeder Kleinigkeit hat sie mir eine Szene gemacht. Ich war erst neunzehn und hatte überhaupt keine Erfahrung mit Frauen.“
Sie trank einen Schluck von dem erfrischenden Pfefferminztee. Seine Ehrlichkeit rührte sie, denn einem Mann, der es gewohnt war, seine Gefühle zu unterdrücken, fiel es sicher schwer, sich so zu offenbaren. „Das war sicher nicht einfach für dich.“
„Sie hat mir damit gedroht, sich umzubringen, als ich mit ihr Schluss machen wollte. Und sie hat ihre Drohung wahr gemacht und eine Überdosis Tabletten genommen“, sprach Raja ernst weiter. „Ich habe also nicht übertrieben, als ich sagte, es sei ein Albtraum gewesen. Danach haben ihre Eltern sie in die Psychiatrie einweisen lassen, wo sie eine Therapie gemacht hat. Ich habe lange gebraucht, um das Ganze zu verarbeiten.“
„Und natürlich hattest du eine zwiespältige Einstellung gegenüber dem, was sie als Liebe bezeichnet hat“, räumte Ruby nachdenklich ein. Sie konnte ihn sich sehr gut als naiven Teenager vorstellen, der mit seiner Angebeteten Händchen hielt und ihr Gedichte vortrug. „Es war einfach Pech, dass du einer Frau wie ihr begegnet bist und so schlechte Erfahrungen gemacht hast.“
Resigniert zuckte er die Schultern.
„Meiner Mum ist es zweimal so ergangen“, erzählte Ruby. „Sie verfügte über keine besonders gute Menschenkenntnis. Sie hat sich in einen Mann verliebt und dachte, er wäre perfekt. Mein Vater hat seine zweite Frau hinter ihrem Rücken geheiratet und ihr dann gesagt, er hätte keine andere Wahl gehabt, weil er einen Sohn brauche. Nach meiner Geburt hatte man meiner Mutter die Gebärmutter herausnehmen müssen.“
„Und das zweite Mal?“, erkundigte Raja sich neugierig, denn das wusste er bereits, auch wenn er eine andere Version gehört hatte.
Ruby schnitt eine Grimasse. „Der Grund dafür, dass Hermione es nicht mag, wenn ein Mann in meine Nähe kommt – mein Stiefvater Curtis. Er hat immer versucht, sich an mich heranzumachen …“
„Dein Stiefvater wollte dich missbrauchen?“, hakte er entsetzt nach, woraufhin sie nickte. „Es fing an, als ich ungefähr zwölf war. Da Mum zu der Zeit einen Teilzeitjob hatte und an einigen Abenden arbeiten musste, war ich allein mit ihm zu Hause.“
Dass ihr Stiefvater ihr nachgestellt hatte, brachte Raja auf. Zum ersten Mal konnte er nachvollziehen, warum sie so resolut und eigenständig und Männern gegenüber so misstrauisch war. Er runzelte die Stirn. „Und du hast es deiner Mutter nicht erzählt, stimmt’s? Warum nicht?“
„Weil es ihr das Herz gebrochen hätte“, erwiderte sie. „Sie hat Curtis sehr geliebt und hatte schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht.“
„Aber dein Stiefvater hat dich nie angefasst, oder?“
„Nein, aber ich hatte immer Angst vor ihm. Deshalb war ich wahnsinnig froh, als er uns verlassen hat. Seitdem bin ich Männern gegenüber vorsichtig. Und er hat Mum um ihr ganzes Geld gebracht.“ Ruby stellte ihre Tasse ab und wollte ins Schlafzimmer gehen.
„Ruby?“
Sie warf ihm einen argwöhnischen Blick zu.
„Wie sehr wünschst du dir, dass du Leyla ein Zuhause geben kannst?“
Ruby spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. „Ich habe mir noch nie etwas mehr gewünscht …“ Abgesehen von dir, dachte sie, sprach es allerdings nicht aus.
„Ich werde mich erkundigen. Aber wir müssten uns beide bewerben. Kinder können nur von Paaren adoptiert werden.“
Verblüfft über seine Worte, begann sie zu beben. „Ist das ein Angebot?“
Forschend betrachtete Raja sie. „Nein, ich sage dir meine Unterstützung zu bei allem, was du tust.“
Natürlich war ihr bewusst, was er nicht ausgesprochen hatte. Wenn ein Paar ein
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