Julia Extra 0357
ihr mit, dass sein Vater solche Zusammenkünfte zu anstrengend fand und sie deshalb im Nebenraum erwartete.
König Ahmed saß im Rollstuhl und wirkte zerbrechlich. Er hatte weißes Haar und Rajas Augen, und obwohl er kaum Rubys Sprache beherrschte, merkte sie an seinem warmen Lächeln und seinem Händedruck, dass er sie genauso akzeptierte wie die anderen. Wie sie zu ihrer Überraschung erfuhr, hatte Raja ihm bereits von ihren Adoptionsplänen erzählt. Der alte Mann bestärkte sie in ihren Absichten und verlieh seinem Kummer über das Leid Ausdruck, das so viele Familien durch den Krieg erfahren hätten.
„Du scheinst deinem Vater ja nahe zu stehen, weil du ihm schon von Leyla erzählt hast“, bemerkte Ruby anschließend, bevor sie sich wieder zu den anderen gesellten.
Raja lachte. „Egal, wo ich gerade bin, wir telefonieren jeden Tag miteinander. Bestimmt wäre er schockiert gewesen, wenn er es von jemand anderem erfahren hätte!“
„Ich wünschte, ich hätte meinen Vater kennengelernt“, gestand sie. Dann verspannte sie sich, weil ihr plötzlich übel wurde und sie geglaubt hatte, die Magenverstimmung wäre abgeklungen.
Forschend betrachtete er sie aus seinen dunklen Augen. „Für ihn muss es viel schlimmer gewesen sein, Ruby. Ich fürchte, du warst die Leidtragende, weil deine Mutter und er im Streit auseinandergegangen sind.“
„Kein Wunder, nach dem, was er Mum angetan hat!“
„In der Version, die ich gehört habe, hieß es, deiner Mutter sei durchaus bewusst gewesen, dass dein Vater sich nach der Heirat eine zweite Frau nehmen könnte. In den vergangenen hundert Jahren haben einige deiner Vorfahren die Vielehe praktiziert“, sagte Raja leise. „Vielleicht konnte sie nicht abschätzen, worauf sie sich eingelassen hat.“
„Das ist möglich …“ Bestürzt blickte sie ihn an. „Ich fasse es nicht, dass ich dich nicht gefragt habe, aber…“
Er lachte und brachte sie zum Schweigen, indem er ihr den Finger auf die Lippen legte. „Nein, frag nicht, habibi . Ich wäre tödlich beleidigt. Den Männern in meiner Familie hat eine Frau immer genügt, und allein die Vorstellung, dass es mehr als eine von deiner Sorte geben könnte, beunruhigt mich.“
„Inwiefern beunruhigt es dich?“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, krampfte sich ihr Magen zusammen, und sie war gezwungen, das nächste Bad aufzusuchen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, weil es ihr so unangenehm war. Und ihre Stimmung besserte sich nicht gerade, als Rajas Schwestern vor der Tür auf sie warteten, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war.
Danach brachte man sie in das Gebäude, in dem sich Rajas Privatgemächer befanden. Er hatte seine eigenen Angestellten, und eine sympathische Frau führte sie eine Treppe hoch in eine wunderschöne Schlafzimmersuite. Erleichtert streifte Ruby ihre Schuhe ab und legte sich aufs Bett. Eine andere Angestellte brachte ihr ein Getränk, das ihren Magen beruhigen sollte. Nach einer Weile ging es ihr besser, und Ruby stellte erstaunt fest, wie hungrig sie war.
Mit zwei Windhunden im Schlepptau kam Raja herein und blieb am Fußende stehen, um sie zu betrachten. Hermione hatte sie begleitet und sprang nun hoch, um an ihrer Hand zu schnuppern. Die beiden anderen Hunde folgten ihr, um sie ebenfalls zu begrüßen. „Sind die schön, Raja!“ Ruby beugte sich aus dem Bett, um sie zu streicheln. „Gehören sie dir?“
„Ja. Hermione scheint sie zu mögen. Wie geht es dir?“, erkundigte Raja sich.
„Gut, ob du es glaubst oder nicht.“ Zögernd lächelte sie. „Ich gehe jetzt duschen, und danach würde ich gern etwas essen. Tut mir leid, dass ich so einen Wirbel verursacht habe.“
„Bist du sicher, dass du aufstehen kannst?“
Ruby glitt vom Bett und schimpfte mit Hermione, weil diese versuchte hinaufzuspringen. Rajas Hunde waren offenbar besser erzogen, denn sie hatten an der Tür Platz gemacht. „Ganz sicher.“
„Dann lasse ich uns etwas kommen.“
„Hast du auch noch nicht gegessen?“
„Ich wollte erst nach dir sehen.“
Ruby ging ins Ankleidezimmer, wo sie feststellte, dass sich in den Schränken und Schubladen bereits zahlreiche Sachen in ihrer Größe befanden. „Hast du das alles für mich besorgen lassen?“, rief sie.
„Ja. Aber es ist egal, was du anziehst. Du wirst jedes Outfit überstrahlen“, erwiderte Raja rau.
Sein Kompliment überraschte sie. Mit einem fließenden blauen Negligé über dem Arm betrat sie das Schlafzimmer, um ihn zu
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