Julia Extra 0357
Tochter des verstorbenen Königs und Thronanwärterin …“
„Ich möchte den Thron aber nicht beanspruchen, und ich weiß, dass noch nie eine Frau das Land regiert hat“, unterbrach sie ihn zunehmend ungeduldiger. „Bestimmt gibt es irgendwo einen Mann, der es gar nicht erwarten kann, den Job zu übernehmen.“
Der Berater hätte vermutlich bestürzt reagiert, wäre er nicht darin geschult gewesen, seine Gefühle zu verbergen. Allerdings wirkte er jetzt noch angespannter. „Sie haben natürlich recht mit der Aussage, dass keine Frauen in Ashur regieren. Traditionsgemäß ist der Thronfolger immer der erstgeborene Sohn …“
„Dann bin ich also nicht so wichtig, wie Sie es mir weismachen wollen?“ Hatte dieser Mann wirklich geglaubt, sie wüsste nichts über die Gegebenheiten in seinem Land? Schließlich hatte die Ehe ihrer Mutter deswegen so geendet. Ihr Vater hatte sich eine neue Frau gesucht, um einen Thronfolger zeugen zu können.
Und tatsächlich wurde Wajid noch verlegener. „Ich widerspreche Ihnen nur ungern, aber in den Augen unseres Volkes sind Sie zweifellos eine sehr wichtige junge Frau. Ohne Sie kann es keinen König geben“, gestand er.
„Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen.“
Nach kurzem Zögern antwortete er: „Die beiden Länder sollen durch eine Verbindung zwischen den beiden königlichen Familien vereint und gemeinsam regiert werden. Das war ein wesentlicher Bestandteil des Friedensvertrags, der nach dem Ende des Krieges ausgehandelt wurde.“
Ruby erstarrte und widerstand dem Drang, wieder ungläubig zu lachen, denn plötzlich begriff sie, welche Bedeutung sie für diesen strengen kleinen Mann hatte. Sie brauchten eine Prinzessin, die sie verheiraten konnten, eine rechtmäßige Anwärterin auf den Thron von Ashur. Und sie war jung und alleinstehend. Man erkannte sie nur als Mitglied der königlichen Familie an, weil es offenbar niemand anderen gab, der infrage kam.
„Ich hatte keine Ahnung, dass arrangierte Ehen in Ashur immer noch üblich sind“, bemerkte sie.
„Vorwiegend bei Hofe“, räumte Wajid widerstrebend ein. „Manchmal kennen Eltern ihre Kinder besser als die Kinder sich selbst.“
„Ich habe jedenfalls keine Eltern mehr, die das für mich entscheiden können. Mein Vater hat nicht einmal Interesse an mir gezeigt. Sie vergeuden also nur Ihre Zeit, Mr Sulieman. Ich möchte keine Prinzessin sein und auch keinen Fremden heiraten. Ich bin mit meinem Leben zufrieden, so wie es ist.“ Um das Gespräch zu beenden, stand sie auf, bedachte den älteren Mann jedoch mit einem mitfühlenden Blick, weil er seinem Wertesystem so verhaftet war. „Es gibt sicher nicht viele junge Frauen, die ein solches Arrangement befürworten würden.“
Noch lange nachdem die drei gegangen waren, saßen die beiden Freundinnen da und sprachen über den unerwarteten Besuch.
„Und du wusstest wirklich nicht, dass du eine Prinzessin bist?“, meinte Stella zum wiederholten Mal, während sie Ruby, die sie schon seit der Grundschulzeit kannte, zunehmend faszinierter betrachtete.
„Bestimmt wollten sie nicht, dass Mum davon erfährt“, erwiderte diese ruhig. „Nachdem wir das Land verlassen hatten, haben sie so getan, als würden wir beide gar nicht existieren.“
„Ich frage mich, wie der Typ, den du heiraten sollst, wohl ist.“ Verträumt spielte Stella mit einer Strähne ihres schwarzen Haars.
„Wenn er auch nur annähernd so herzlos ist wie mein Vater, verpasse ich nichts. Mein Vater war bereit, meiner Mum das Herz zu brechen, um einen Sohn zu zeugen. Und der Mann, den ich heiraten soll, würde sicher alles tun, um König von Ashur zu werden …“
„Er kommt aus dem anderen Land, stimmt’s?“
„Aus Najar? Bestimmt. Wahrscheinlich handelt es sich um irgendeinen armen Verwandten der königlichen Familie, der nach oben will“, spottete Ruby.
„Ich glaube, ich hätte die drei nicht so schnell weggeschickt. Ich meine, wenn man von der Heirat absieht, wäre es sicher aufregend gewesen, Prinzessin zu sein.“
„Ich fand an dem Land überhaupt nichts aufregend.“ Ruby fühlte sich ein wenig schuldig, weil sie immer noch verbittert über die Zurückweisung war. Sie hatte Wajid Sulieman angemerkt, wie sehr er sein Land liebte. Außerdem hatten die Neuigkeiten über den Tod der Familienmitglieder sie traurig gestimmt.
Nach einem ganz normalen Wochenende, an dem der Eindruck über den unerwarteten Besuch schließlich ein wenig verblasst war, arbeitete Ruby am Montag
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