Julia Extra 260
wollte nicht auf Leahs Rat hören, die Affäre mit Jim zu beenden und sich jemanden zu suchen, der frei war.
„Ich komme sofort“, antwortete Leah. „Lass mich nur gerade den Anrufbeantworter einschalten. Und ich muss noch schnell auf die Toilette.“
„Ich auch“, entgegnete Trish.
Fünf Minuten später saßen sie an einem der Holztische unter der großen Trauerweide hinter ihrem Gebäude – einem wunderbar schattigen Plätzchen, an dem man gut draußen essen konnte an einem warmen Sommertag. Der schwüle Januar war endlich vorbei – genauso wie die Sommerstürme –, und der Februar war bislang so schön, dass die Touristen in Scharen nach Sydney strömten.
„Hält der neue Boss euch auf Trab?“, fragte Leah, sobald sie sich hingesetzt hatten.
„Das kann man wohl sagen“, stöhnte Trish, die ein Schinkensandwich auspackte. „Von diesem charmanten Lächeln darfman sich nicht täuschen lassen – er ist ein knallharter Geschäftsmann, der sich nichts vormachen lässt. Er hat Jim einige unangenehme Fragen gestellt, das kann ich dir sagen. Ich glaube, Jim ist ein wenig beunruhigt.“
„Das sollte er auch sein“, meinte Leah trocken.
„Warum?“
„Warum wohl, Trish! In dieser Firma ist eine Menge Geld verschwendet worden. Da gab es zum Beispiel diese verdammt teure Weihnachtsfeier, ganz zu schweigen von der Managementschulung in einer der exklusivsten Ferienanlagen von ganz Australien. Dann sind alle Büros renoviert worden, und außerdem hat man die komplette Flotte an Firmenwagen nach nur einem Jahr erneuert.“
„Wenn du es so darstellst, sieht es wirklich nicht besonders gut aus.“
Leah hätte noch hinzufügen können, dass die neue Marketingchefin die Stelle nicht aufgrund ihrer Erfahrung in diesem Bereich verdankte. Das Einzige, worin sie Erfahrung zu haben schien, waren die verschiedenen Stellungen des Kamasutra.
Trish war nicht die einzige Geliebte, die Jim sich unterhielt. Es war ihr ein absolutes Rätsel, wie Trish keinerlei Ahnung von Shelley haben konnte. Absolut alle wussten darüber Bescheid. Außer Trish.
Leah brachte es nicht übers Herz, es Trish zu sagen. Sie würde noch früh genug herausfinden, was für eine Ratte Jim war.
„Ein Mann wie Jason Pollack wird innerhalb kürzester Zeit rauskriegen, was da läuft“, meinte Leah im Brustton der Überzeugung.
Trish wirkte besorgt. „Jim könnte gefeuert werden.“
Na, das ist doch mal ein befriedigender Gedanke, dachte Leah. Sie war sehr dafür, dass ein Mistkerl wie Jim endlich einmal das bekam, was er verdiente.
Leider sah die Realität in der Regel anders aus. Mistkerle bekamen nämlich selten das, was sie verdienten. Der neue Boss war doch das beste Beispiel! Er musste schon ein verdammter Bastard sein, wenn er eine wesentlich ältere Frau nur des Geldes wegen heiratete. Und was passierte dann? Sie starb nach kurzer Zeit und hinterließ ihm Unsummen an Geld und die Freiheit, damit machen zu können, was er wollte.
Wie praktisch!
„Es ist alles ziemlich beunruhigend“, sagte Trish, die noch nicht einen Bissen von ihrem Lunch genommen hatte.
Eine Welle des Mitgefühls vertrieb Leahs sarkastische Gedanken.
„Du musst dir keine Sorgen machen“, versicherte sie und berührte Trish sanft am Arm. „Du hast nichts falsch gemacht.“
„Hab ich nicht?“ Trishs Augen füllten sich plötzlich mit Tränen. „Ich schlafe mit einem verheirateten Mann, Leah. Ich versuche, ihn von seiner Familie zu trennen. Das ist nicht richtig. Ich weiß, dass seine Frau ihn liebt. Und die Kinder auch. Meine Mutter würde sich furchtbar für mich schämen, wenn sie es wüsste …“
Leah reichte ihr die Serviette, die sie in der Kantine zu ihrem Lunch bekommen hatte, und schüttelte den Kopf, als Trish ihre ganze Wimperntusche mit den Tränen verschmierte.
„Trenn dich von ihm, Trish“, riet sie. „Gib dir die Chance, einen anderen zu finden.“
„Das kannst du leicht sagen, Leah“, antwortete Trish mit einem neidischen Blick. „Du könntest jeden Mann haben, den du willst. Schau dich doch an. Du bist wunderschön, und dabei benutzt du nicht mal besonders viel Makeup.“
„Äußere Schönheit ist nicht alles, Trish. Es ist keine Garantie für Erfolg bei den Männern. Mein erster Ehemann hat mich sitzen gelassen.“
Trish blinzelte überrascht. „Was ? Ich wusste nicht einmal, dass du verheiratet warst! Wie lange hat eure Ehe gedauert?“
„Sechs Monate.“
„Er hat dich nach sechs Monaten verlassen!“ Trish starrte
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