Julia Extra Band 0213
eine Kamera, Ohrstöpsel, die Sonnenbrille, Filme, ein Roman, Papiertaschentücher, eine Nagelfeile und der kleine gestrickte Teddy, den sie seit ihrer Kindheit mit sich herumtrug. Selbst Schlüssel, Kreditkartenquittungen und ein Ohrring, den sie schon seit Ewigkeiten vermisst hatte, Fotos mit Eselsohren und eine billige Brosche, die ihr Michael einmal zum Spaß geschenkt hatte, türmten sich nun vor den Füßen und unter dem Sitz des Mannes.
Claudia schloss die Augen und hoffte, nur zu träumen. Doch als sie wieder aufsah, saß der Mann immer noch inmitten ihres Krempels.
Seufzend legte er seine Papiere auf den leeren Sitz neben sich und befreite seinen Schuh von einem BH, den sie als Wechselunterwäsche für den Flug eingesteckt hatte. Er reichte ihr ihn mit spitzen Fingern. “Sie werden das gute Stück zweifellos noch gebrauchen”, bemerkte er.
Tödlich beschämt nahm sie ihm den BH ab. “Entschuldigung”, murmelte sie. Dann begann sie auf den Knien herumrutschend in Eile die Sachen unter seinem Sitz in die Tasche zu stopfen. Weil ihr alles so peinlich war, stellte sie sich ungeschickt an. Die Hälfte der Sachen fiel neben die Tasche, zumal der Mann ihr ihre Kosmetika und sentimentalen Erinnerungsstücke schweigend anreichte, anstatt sich einfach auf einen anderen Platz zu setzen.
“Passagiere für den Flug GF920 nach Dubai und Menesset werden nun an Bord gebeten.” Claudia war erleichtert, als sie die Ansage über Lautsprecher vernahm. Die Passagiere der ersten Klasse und Familien mit Kindern gingen zum Ausgang.
“Bitte keine Umstände”, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen zu ihm, als er sich umsah. Seinem Auftreten nach flog er erster Klasse. “Gehen Sie nur. Ich habe ohnehin schon alles eingepackt.”
Er steckte gemächlich seine Papiere in die Aktentasche. Er flog tatsächlich erster Klasse. Mit einem kurzen Nicken verabschiedete er sich von ihr und ging zur Abfertigung, jedoch nicht ohne einen weiteren Lippenstift vom Fußboden hochzunehmen.
“Nächte der Leidenschaft”, las er sarkastisch das Etikett vor. “Den möchten Sie sicher nicht entbehren. Vielleicht werden Sie ihn noch dringend benötigen.”
Mit dieser letzten überflüssigen Bemerkung verschwand er. Claudia sah ihm bitter nach. Die treffenden Antworten, die ihr jetzt durch den Kopf gingen, kamen zu spät.
Zum Glück flog er erster Klasse, sodass sie wenigstens nicht neben ihm sitzen musste. Wahrscheinlich würde er in Dubai aussteigen. Claudia war froh, als er verschwand. Sie hatte sich lächerlich benommen und daher darauf gehofft, den Zeugen ihres Missgeschicks nie wiederzusehen.
Und nun musste sie in diesem lausigen kleinen Flugzeug gute zwei Stunden neben ihm verbringen. Das passte zu ihrer diesjährigen Pechsträhne, dachte Claudia bitter. Es war kein Spaß gewesen, neunundzwanzig Jahre alt zu sein. Auch der letzte Tag, an dem sie noch zu den Zwanzigjährigen gehörte, fügte sich in dieses Bild. Hoffentlich würde sich an ihrem morgigen Geburtstag alles ändern.
Mit einem leisen Seufzer musterte sie den Mann auf dem Platz neben sich. Ihre Geburt hatte offensichtlich unter keinem guten Stern gestanden. Sonst hätte ihr das Geschick einen attraktiven charmanten Mann an die Seite gegeben, der ihr die letzten Stunden ihrer Jugend leichter machte. Stattdessen saß nun dieser eigensinnige Mann mittleren Alters neben ihr. Er musste mindestens vierzig sein, beschied sie unbarmherzig. Vierzig war für sie immer eine unbestimmbare Zeit in der Zukunft gewesen. Es war schockierend für sie, ab dem nächsten Tag nur noch zehn Jahre jünger zu sein als dieser Mann.
Dabei sah er keineswegs aus, als ob er nächstes Jahr in Pension ginge. Claudia musterte ihn genauer. Er wirkte in sich ruhend, so als ob er vollkommen mit sich im Einklang sei. Schade nur, dass er so streng blickte. Mit einem Lächeln hätte er weit attraktiver ausgesehen.
Wie er wohl auf einen kleinen Flirtversuch von ihr reagieren würde? Der bestimmte Zug um seinen Mund brachte sie von diesem Gedanken schnell wieder ab. Solange er den langweiligen Bericht mit endlosen Absätzen und Zahlenreihen durchsah, war an einen Flirt nicht zu denken.
Doch das Unmögliche hatte für Claudia schon immer eine Herausforderung bedeutet. Sie griff daher nach den Sicherheitsvorschriften, die vor ihr in einem Netz steckten. Selbst wenn sie ihn nicht zum Lächeln bringen konnte, würde es Spaß machen, ihm so viele Informationen wie möglich aus der Nase zu ziehen. Wenn er
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