Julia Extra Band 0213
Stift nachgezogen.
Wahrscheinlich war sie eine Marketing-Frau oder sie arbeitete für die Medien. Sie musste einen Job haben, bei dem sie Menschen überschwänglich auf die Wange küssen und wichtigtuerisch mit einem Notizblock umherlaufen konnte. Sie ging sicher auf Partys und erzählte, wie müde sie von ihrer Arbeit war, obwohl sie wahrscheinlich nur den ganzen Tag herumtelefonierte, um ein Treffen zum Lunch oder ein Date nach der Arbeit zu arrangieren.
David lächelte finster vor sich hin. Seit der Sache mit Alix kannte er Frauen wie Claudia und war durch sie nicht mehr zu beeindrucken.
Das Flugzeug hatte gewendet und hielt kurz inne, bevor es zu beschleunigen begann. Es hob erst im letzten Moment von der Landebahn ab. Claudia konzentrierte sich so lange vollständig auf ihren Atem.
Erleichtert hörte sie das Geräusch, mit dem die “no smoking”-Warnschilder erloschen. Erst als das Flugzeug die volle Flughöhe erreicht hatte, wandte sie sich wieder an David. Er las erneut in seinem Bericht.
“Sind Sie wie Patrick fest in Telema’an stationiert?”, fragte sie neugierig.
“Nein”, entgegnete David kurz angebunden. Die Zeilen tanzten vor seinen Augen. Doch ließ er sich von Claudias großen Augen und ihrer schwärmerischen Stimme keinen Moment lang täuschen. Sie beabsichtigte, ihn zu provozieren. Wenn er kühl und höflich blieb, würde sie sich bald langweilen. “Ich bin die meiste Zeit in der Londoner Zentrale.”
“Was führt Sie jetzt nach Telema’an?”, hakte Claudia nach.
Er atmete tief durch. “Ein paar äußerst wichtige Besprechungen”, sagte er nach einer kurzen Pause. “Die erste Phase des Projekts geht ihrem Ende entgegen. Wir müssen die Regierung davon überzeugen, uns mit dem nächsten Bauabschnitt zu beauftragen. Die Konkurrenz ist hart.”
Er sah wieder in seine Papiere. “Letztendlich entscheidet der Scheich, der ein Cousin des Sultans ist und die Verantwortung für das gesamte Projekt trägt, welche von den großen Firmen den Auftrag erhält. Er ist ein schwieriger Verhandlungspartner. Nach monatelangen Bemühungen hat er uns für übermorgen ein Gespräch gewährt. Ich muss den Rest des Teams vor diesem Treffen dringend instruieren. Sie sehen also, wie wichtig es ist, dass ich diesen Bericht lese.”
“Was für ein Zufall!”, warf Claudia ungerührt ein. “Auch bei mir ist es von absoluter Wichtigkeit, morgen dort zu sein.”
“Wirklich?”, stieß er hervor. “Wieso denn das?”
Sie beugte sich näher zu ihm. “Morgen werde ich dreißig. Auf einer Party werde ich mein Schicksal treffen.”
David sah sie ungläubig an. “Wen?”
“Mein Schicksal”, wiederholte Claudia ungerührt. “Vor Jahren hat mir eine Wahrsagerin gesagt, dass ich erst mit dreißig heiraten und meinen Ehemann an einem Ort kennenlernen würde, an dem es viel Platz und Sand gibt.”
“Deshalb fliegen Sie in die Wüste?” David konnte es nicht glauben. Claudia lächelte mit großen Augen.
“Ich weiß auch genau, wer es sein wird. Die Prophezeiung lautete, dass die Initialen J und D eine bedeutende Rolle spielen werden. Daran werde ich den richtigen Mann sofort erkennen. Lucy hat für mich eine Party ausgerichtet, damit ich ihn an meinem Geburtstag kennenlernen kann.”
David seufzte verzweifelt. “Ich kann mir nicht denken, dass Lucy an diesen Mumpitz glaubt. Ich habe sie immer für intelligent gehalten.”
“Sie war damals dabei”, erzählte ihm Claudia ernst. “Wir waren beide erst vierzehn Jahre alt. Sie war tief beeindruckt.” Sie unterschlug ihm, wie sie kichernd das Zelt der Wahrsagerin verlassen und noch Jahre später darüber gescherzt hatten, dass Claudia bis zu ihrem dreißigsten Geburtstag auf ihre Hochzeit warten musste.
Dreißig hatte damals unvorstellbar weit weg geschienen. Als sie Michael kennengelernt hatte, meinte Claudia, dem Schicksal ein Schnippchen schlagen zu k”nnen.
Doch Michael hatte keine feste Bindung mit ihr gewollt. Daher war sie einen Tag vor ihrem dreißigsten Geburtstag immer noch ledig.
“Du kannst deinen dreißigsten Geburtstag nicht allein verbringen”, hatte Lucy erklärt, als Claudia ihr am Telefon von der geplatzten Verlobung erzählt hatte.
“Mir geht es so elend, dass mir alles egal ist”, hatte Claudia geantwortet. “Ich kann mich nicht zu einer Party aufraffen. Jeder würde mich nur bemitleiden.”
“Dann komm nach Shofrar”, hatte Lucy spontan angeboten. “Hier weiß keiner etwas von Michael. Es wäre ein großer
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