Julia Extra Band 0213
dreißig. Dann würde sie mehr Selbstvertrauen besitzen.
Auf der Suche nach einer Ablenkung sah sie sich im Flugzeug um. Auf dem Sitz gegenüber des Ganges saß ein gut aussehender Shofrani in modischer westlicher Kleidung. Er hatte dunkles Haar und freundliche Augen. Er lächelte ihr charmant zu, als sich ihre Blicke trafen. Claudia lächelte zurück.
“Verzeihung, dass ich Sie so gemustert habe”, sagte er in fließendem Englisch. “Wir haben nicht oft so schöne Passagiere auf dem Flug nach Telema’an an Bord.”
Claudia ging auf seine Schmeicheleien ein. Er stellte sich als Amil vor, und bald waren sie in einen netten Flirt vertieft. Er befand sich auf der Heimreise, nachdem er für seinen Onkel Geschäfte in der Hauptstadt erledigt hatte.
“Werden Sie länger in Telema’an bleiben?”, fragte er.
“Nur ein paar Wochen, dann muss ich wieder arbeiten.”
“Bei Ihrer Arbeit sind Sie nicht länger entbehrlich?”
“Leider nicht. Ich arbeite für eine Fernsehgesellschaft. Im Moment ist sehr viel los.”
David hatte wider Willen die Konversation verfolgt. Er hatte also richtig geraten und hörte nun, wie hektisch und wichtig Claudias Job war. Ihr neuer Freund schien ganz Ohr zu sein. David biss die Zähne zusammen.
Claudia bemerkte es und verdoppelte ihre Bemühungen um Amil. “Genug von meiner Arbeit”, sagte sie mit einem berückenden Lächeln. “Ihr Leben ist sicher weit interessanter als meines!”
Eine weitere Viertelstunde musste David der süßlichen Unterhaltung lauschen, bevor der Steward mit einem Wagen den Gang entlangkam und das Gespräch unterbrach.
David seufzte erleichtert auf. Doch die Ruhe war nur von kurzer Dauer. Claudia suchte nun in ihrer Tasche nach einem Lippenstift und trug ihn mit einem Blick in ihren Handspiegel auf. Es folgte eine ausgiebige Nagelpflege mit Feile und Handcreme. Schließlich benutzte sie auch noch ein Parfüm. Er nahm den subtilen, teuren und sexy Duft wahr, der für ihn bereits zu ihr zu gehören schien. Auch das ignorierte er, so gut es ging.
Im Anschluss kämmte sie sich. Schließlich warf sie die seidige Haarpracht zurück, bis sie wippend ihr Gesicht umrahmte. David bemühte sich, keine Notiz davon zu nehmen, wie die Sonne auf dem glänzenden Haar glitzerte und es in gesponnenes Gold verwandelte.
Endlich schien sie fertig zu sein. Weil aber weder David noch Amil, der inzwischen mit seinem Sitznachbarn sprach, Notiz von ihr nahmen, trommelte sie gelangweilt auf die Lehne ihres Sitzes.
“Können Sie denn nicht eine Sekunde still sitzen?”, fuhr David sie an.
“Ich sitze still”, widersprach Claudia.
“Nein”, entgegnete David mit mühsamer Beherrschung. “Wenn Sie nicht mit Fremden ein Gespräch führen, schminken Sie sich und kramen in der Tasche. Selbst wenn diese intellektuellen Tätigkeiten erschöpft sind, machen Sie irritierende Klopfgeräusche.”
Claudia sah ihn gekränkt an. “Was soll ich denn sonst tun?”
“Sie sollen gar nichts tun. Können Sie nicht einfach still dasitzen?”
“Ich sitze nicht gern”, schmollte sie. “Ich habe eine sehr niedere Langeweileschwelle. Ich muss immer etwas unternehmen.”
“Wieso versuchen Sie es nicht mal mit Nachdenken?”, schlug David vor. “Das dürfte eine ganz neue Erfahrung für Sie sein.”
“Ich habe nachgedacht”, warf Claudia ein.
“Sie verblüffen mich!” David schüttelte spöttisch den Kopf. “Und worüber, wenn man fragen darf?”
“Ich habe mich gefragt, wie Patrick einem so arroganten und unfreundlichen Menschen einen Job geben konnte”, meinte sie.
David sah auf. “Wieso glauben Sie, dass Patrick mich eingestellt hat?”
“Er ist der leitende Ingenieur des Projekts. Wenn Sie an den Verhandlungen teilnehmen, müssen Sie zu seiner Mannschaft gehören. Wie Sie GKS hier repräsentieren, würde ihm nicht gefallen. Ich kenne ihn schon lange. Patrick wirkt zwar umgänglich”, fuhr sie fort. “Aber so etwas sieht er nicht gern.”
“Und Sie meinen, dass er mir vor den wichtigen Besprechungen kündigen sollte?”
Claudia schüttelte den Kopf. “Das hängt ganz von Ihnen ab”, sagte sie kurz.
“Darf ich bleiben, wenn ich für den Rest des Fluges nett zu Ihnen bin?”
“So sehr müssen Sie sich gar nicht anstrengen”, stichelte sie. “Es ist Ihnen augenscheinlich nicht von der Natur gegeben.”
“Das kommt nur auf mein Gegenüber an”, sagte er. Bevor Claudia etwas entgegnen konnte, wurde sie von einem Geräusch der silbernen Tragfläche unter dem
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