JULIA EXTRA BAND 0272
sich an den Tratsch, den er zu Beginn des Abends gehört hatte. Gerüchte beinhalteten meist einen wahren Kern. Der alte Mann würde sich aber von dem Gedanken verabschieden müssen, ihn als Ehemann für seine schüchterne Enkelin in Erwägung zu ziehen.
Es mochte ja sein, dass sie mit mehr Leidenschaft küsste, als die meisten Frauen liebten, aber Luciano Ignazio di Valerio ließ sich nicht kaufen.
Er wollte noch lange nicht heiraten, und selbst wenn er es tat, dann würde seine Braut keine Amerikanerin sein, die viel zu viel Wert auf diese überschätzte persönliche Unabhängigkeit legte. Er wollte eine nette sizilianische Ehefrau – mit traditionellen Wertvorstellungen.
Das erwartete seine Familie.
Selbst wenn Hope Bishop tatsächlich eine Versuchung war.
Hope schloss leise die Tür ihres Schlafzimmers und lehnte sich für einen Moment erschöpft dagegen.
Es war nach drei Uhr und der letzte Gast endlich gegangen. Sie hatte sich gezwungen, bis zum Schluss unten zu bleiben, weil ihr bewusst war, dass ihr Großvater die Party hauptsächlich ihretwegen veranstaltet hatte.
Sie wünschte, er hätte sich nicht die Mühe gemacht. Zumindest ein Teil von ihr tat das. Der andere Teil, die sinnliche Frau, die in ihr schlummerte, genoss ihren ersten Geschmack wahrer Leidenschaft.
Luciano hatte sie geküsst. Richtig. Sie war sich ziemlich sicher, dass das Ganze als Mitleidsgeste angefangen hatte, aber irgendwann war er völlig davon gepackt worden. Genau wie sie, doch das war natürlich kein Wunder.
Schon seit fünf Jahren träumte sie davon, den sizilianischen Tycoon zu küssen. Es war eine Fantasie gewesen … bis zu diesem Abend. Eine Verkettung von Ereignissen hatte zu einem Kuss geführt, der so verheerend war, dass er sie auf Jahre verfolgen würde.
Noch immer völlig in Gedanken versunken, durchquerte sie den Raum, ließ sich auf ihr Bett sinken und griff nach einem Kissen, das sie gegen ihren Bauch presste.
Es war wundervoll gewesen.
Er hatte sich hart und männlich angefühlt und köstlich geduftet.
Und dann hatte er sie von sich gestoßen, als hätte sie die Pest. Frustriert boxte sie in das Kissen. Er hatte den Kuss genossen, dessen war sie sicher, doch dann hatte ihr Großvater sie unterbrochen, und Luciano war verlegen gewesen, weil man ihn erwischt hatte, wie er sie küsste.
Die Tränen, die bereits den ganzen Abend in ihren Augen brannten, stiegen einmal mehr in ihr auf. Dank ihm hatte sie wie eine Närrin dagestanden. Lächelnd hatte sie die spöttischen und schlicht verletzenden Bemerkungen der vergangenen drei Stunden ertragen müssen.
Die Leute behaupteten, dass sie sich ihm an den Hals geworfen hätte. Dass er sie praktisch von sich reißen musste, um sie überhaupt loszuwerden. Dass sie als alte Jungfer mit ihm jedoch einen Sechser im Lotto gezogen hätte. Einige der männlichen Gäste hatten sogar angeboten, dort weiterzumachen, wo Luciano aufgehört hatte.
Glücklicherweise waren ihrem Großvater diese Beleidigungen nicht zu Ohren gekommen, denn er hatte sich kurz nach Mitternacht mit einem japanischen Geschäftsmann in sein Arbeitszimmer zurückgezogen. Wenn es nach ihr ging, würde er auch nichts davon erfahren.
Luciano, der Schuft, hatte die Party nur wenige Minuten nach seiner demütigenden Reaktion auf ihren Kuss verlassen.
Selbst die Freude darüber, derart heiß von dem einzigen Mann geküsst worden zu sein, den sie begehrte, konnte nicht über die Erniedrigung hinwegtrösten, die sie seinetwegen vor den Gästen ihres Großvaters erlitten hatte. Sie hasste Luciano di Valerio. Sie tat es wirklich.
Und sie hoffte, dass sie ihn niemals wiedersehen würde.
„Die Anteile stehen nicht zum Verkauf.“
Luciano betrachtete sein Gegenüber und suchte nach einer Schwachstelle in seinem Panzer, doch Joshua Reynolds war mit allen Wassern gewaschen und wirkte vollkommen unbeeindruckt.
„Ich werde Ihnen das Doppelte von dem zahlen, was Sie meinem Onkel gegeben haben.“ Er hatte bereits einen fünfzig Prozent höheren Preis angeboten. Ohne Erfolg.
Reynolds schüttelte den Kopf. „Ich brauche nicht mehr Geld.“
Die Worte waren gerade mit so viel Betonung gesprochen worden, dass sie äußerst überzeugend wirkten. Was auch immer Joshua Reynolds im Austausch gegen die Anteile wollte, es war kein Geld, und so konnte er Lucianos bestes Angebot, ohne mit der Wimper zu zucken, ausschlagen.
„Also gut, signor , was ist es dann, was Sie brauchen?“, versuchte er den alten Mann aus der
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