Julia Extra Band 0328
Oder dass die Schließung des Restaurants für sie den absoluten Ruin bedeuten würde.
Berni hatte recht, ihr Unternehmen war sehr erfolgreich angelaufen, und die Bank hatte in Form von Zinsen großartig vom Gewinn profitiert. Doch alles, was sie inzwischen wahrnahmen, war ihr momentaner finanzieller Engpass, verursacht durch die umfangreichen, störenden Bauarbeiten nebenan und einer geradezu unverschämten Erhöhung des Pachtzinses von Seiten ihrer Hausverwaltung. Beziehungsweise des neuen Eigentümers, eines gewissen Lancier.
Wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass angesichts der augenblicklichen Marktlage die Chancen auf eine Erhöhung ihres Bankkredites gleich null waren. Was für Victoria bedeutete, entweder sie verkaufte ihr Restaurant an Lancier oder sie ging bankrott.
Allein der Gedanke machte sie krank. Lieber würde sie an ein fleischfressendes Monster verkaufen, als an eine Firma, die auf eine derart dreiste Art versuchte, sie zur Kapitulation zu zwingen. Doch wenn die Bank Nein sagte, war Lanciers Offerte ihre einzige Alternative.
Es sei denn …
Langsam trat sie an die Küchentür heran und schaute durch das runde Bullauge zu Antonio Cavellis Tisch hinüber. Dieser Mann könnte ihre Rettung sein.
Schon lange hatte Victoria einen Business-Plan in Anbetracht der neuen Umstände erstellt, dass in Kürze, direkt nebenan, das luxuriöse Cavelli-Hotel eröffnen würde. In ihren Augen war das lauschige Restaurant die perfekte Ergänzung zum Neubau. Es lebte hauptsächlich von der Laufkundschaft der gut ausgebauten und mit attraktiven Geschäften bestückten Hauptstraße, während das Hotel ein wenig zurücklag, inmitten einer abgeschlossenen grünen Oase.
Seit mehr als drei Monaten versuchte sie, Kontakt mit Antonio Cavelli aufzunehmen, um ihm einige ihrer zündenden Ideen vorzulegen – zum Beispiel, seinen Gästen einen attraktiv gestalteten Seitenausgang über ihr Grundstück einzurichten, im Gegenzug zur Möglichkeit, ihr Restaurant quasi unter seiner Schirmherrschaft weiterführen zu können. Dafür müssten nicht einmal einschneidende strukturelle Veränderungen vorgenommen werden, denn es gab bereits einen angrenzenden kleinen Garten auf der Rückseite ihres Restaurants. Man brauchte das Hotel nur in diese Richtung zu öffnen und konnte hindurchgehen.
Ihre E-Mails hatte sie stets direkt an ihn geschickt und an den Geschäftsführer der Firma, Luc Cavelli. Praktisch jede Woche aufs Neue, immer mit aktuellen Anhängen, Zahlen, Fakten und Fotos bestückt. Doch eine Antwort hatte sie nie bekommen.
Doch jetzt saß er hier, an ihrem Tisch … in ihrem Restaurant!
Vielleicht war es Schicksal? Möglicherweise aber hatte er ja doch ihre Ideen gelesen und sie gefielen ihm. Immerhin wusste er ihren Namen und hatte sich nach ihr erkundigt!
„Gibst du dir bitte besondere Mühe mit der Bestellung von Tisch dreiunddreißig, Berni?“, murmelte sie abwesend und sah zum Glück nicht den finsteren Blick ihres Chefkochs.
„Ich gebe mir grundsätzlich bei allen Bestellungen die größte Mühe!“, knurrte er beleidigt.
Victoria lächelte. „Ja, das weiß ich doch. Aber dieser Lunch-Teller könnte sich als der wichtigste des ganzen Jahres erweisen …“
2. KAPITEL
Antonio schaute auf, als Victoria eine Karaffe mit Wasser auf seinem Tisch abstellte. Das Telefonat hatte er inzwischen beendet und studierte gerade die Unterlagen des Architekturbüros, das beauftragt worden war, die Boutiquenzeile zu entwerfen, der dieses Restaurant weichen sollte.
„Danke“, sagte er mit einem knappen Nicken und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Papieren zu. Doch nach einigen Sekunden fiel ihm auf, dass Victoria Heart immer noch anwesend war. „Gibt es noch etwas?“
„Offen gesagt, ja. Dürfte ich Sie vielleicht einen Augenblick sprechen?“
Antonio antwortete nicht gleich, sondern lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte Victoria mit einem kühlen, prüfenden Blick.
Es kostete sie ihren ganzen Mut fortzufahren. „Sie sind mein neuer Nachbar, nicht wahr? Antonio Cavelli, der Hotelbesitzer.“
Zustimmend nickte er leicht.
„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, Sie kennenzulernen. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich einen Augenblick zu Ihnen setze?“ Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern zog einen Stuhl vor und nahm ihm gegenüber Platz. Okay, seine arrogante Miene ängstigte sie fast zu Tode, und am liebsten wäre Victoria Hals über Kopf geflohen, doch
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