Julia Extra Band 0328
sie war verzweifelt.
„Ich habe Ihnen mehrfach interessante Geschäftsideen und -vorschläge gemailt und frage mich, ob Sie auch nur eine von ihnen erhalten haben.“
Antonio hob eine dunkle Braue. „Nein, nicht dass ich wüsste.“
„Es ist ja nun so, dass mein Restaurant praktisch an Ihr Hotel grenzt“, wagte sich Victoria todesmutig vor, „und deshalb dachte ich, dass wir vielleicht zu einer Art Geschäftspartner werden könnten.“ Während sie sprach, schenkte sie zwei Gläser Mineralwasser ein.
Trotz der mehr als kuriosen Umstände ertappte sich Antonio dabei, dass er neugierig darauf wartete, was diese ungewöhnliche Frau als Nächstes sagen würde.
Denn sobald sie vom Geschäft sprach, wirkte sie völlig verändert. Der Körper war entspannt, die grünen Augen funkelten vor Enthusiasmus. Offenbar war auch ihr nicht entgangen, dass ein Seiteneingang den Hotelgästen, die in Richtung Park oder Meer wollten, nur zugutekommen konnte. Ihre Unternehmensstrategie hörte sich schlüssig an. Sie schien ein gutes Gedächtnis für Zahlen und Fakten zu haben, und alles, was sie sagte, klang sehr überzeugend.
Sobald sie eine Pause machte, um Luft zu holen, hob Antonio die Hand.
„Miss Heart.“
Sie lächelte erwartungsvoll. „Nennen Sie mich doch bitte Victoria.“
„Victoria, es tut mir leid, aber ich bin nicht interessiert.“
„Aber Sie würden nur Vorteile haben durch den seitlichen Eingang und …“
„Mag sein, trotzdem bin ich nicht interessiert.“
Die Enttäuschung in ihren schönen Augen war nicht zu übersehen. „Wirklich?“ Sie seufzte. „Schade, ich dachte, vielleicht hätten Sie ja doch eine meiner Mails gelesen und wären deshalb heute hier.“
„Ich habe nicht eine E-Mail von Ihnen empfangen …“, stellte Antonio klar, „… sondern bin hier, um mir ein Bild über den Fortschritt der Bauarbeiten nebenan zu machen. Und Ihr Restaurant habe ich deswegen für meinen Lunch gewählt, weil es das nächstliegende war.“
„Verstehe …“ Victoria senkte den Blick und biss sich auf die Unterlippe. Dann gab sie sich einen Ruck. Antonio, der gerade für sich feststellte, dass sie einen sehr wohlgeformten, weichen Mund hatte, schaute sie abwartend an. „Aber da Sie nun schon mal hier gelandet sind, haben Sie doch bestimmt nichts dagegen, wenn ich Ihnen meinen Businessplan zur Einsicht überlasse, oder?“, fragte sie hoffnungsvoll. „Ich habe ihn fertig ausgedruckt hinten im Büro liegen. Was halten Sie davon, wenn ich den Folder für Sie an der Rezeption hinterlege und Sie jetzt nicht weiter störe?“
Hartnäckig war sie, das musste er ihr lassen. „Also gut, hinterlegen Sie ihn, und ich nehme ihn später mit.“
Victoria strahlte. „Danke … und man kann ja nie wissen, oder? Vielleicht denken Sie ja bald anders über meine Vorschläge …“
Die Bedienung brachte das bestellte Essen. Victoria schob ihren Stuhl vom Tisch zurück und stand auf. „Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mir zuzuhören, Mr. Cavelli“, sagte sie höflich. „Ich hoffe, Sie genießen Ihren Lunch.“
Nach dem Meeting in der Bank holte Victoria Nathan vom Kindergarten ab und schob ihn wie jeden Tag in der Kinderkarre durch den kleinen Park. Zwischen den dunklen Ästen der duftenden Eukalyptusbäume hindurch drangen vereinzelte Sonnenstrahlen und zauberten helle Kringel und Muster auf den Gehweg.
Victoria unterdrückte einen Seufzer. Es war schwer vorstellbar, dass an einem so wundervollen Septembertag ihr ganzes Leben auseinanderbrechen sollte. Und doch war es so. Denn die Kreditabteilung der Bank hatte Nein gesagt.
Obwohl sie es tief in ihrem Innern geahnt hatte, fühlte sich Victoria am Boden zerstört. Was sie sich so hart erarbeitet und aufgebaut hatte, war verloren. Wie sollte sie es ihrem Personal beibringen? Bis zuletzt hatte sie an der Hoffnung festgehalten, alles würde sich noch zum Guten wenden …
Nathan zappelte ungeduldig in seiner Karre. Victoria blieb stehen, löste den Gurt und hob ihn hoch.
„Okay, Schätzchen, du kannst gern ein Weilchen laufen“, sagte sie sanft und erwiderte automatisch das breite Lächeln ihres kleinen Sohnes, dessen dunkle Augen begeistert funkelten.
Wenigstens habe ich Nathan, dachte Victoria und spürte, wie sich ihr Herz vor Liebe zusammenzog. Er war das Wichtigste in ihrem Leben. Solange es ihm gut ging, konnte sie alles andere ertragen.
Doch wie würde der nächste Schritt aussehen? Alles, was sie besaß, steckte in ihrem
Weitere Kostenlose Bücher