Julia Extra Band 0328
nicht. Du bist nicht mein König. Es ist nichts als unhöflich.“
„Natürlich will ich nicht unhöflich erscheinen“, sagte er gelassen, doch etwas an seinem Ton bewirkte, dass ihr ein leichter Schauer über den Rücken rieselte. „Aber ich habe es geschafft, dass du öfter gekommen bist, als du zählen kannst, und du willst mich belehren …“
„Wie hättest du es denn gern?“, unterbrach sie ihn. „Offenbar bist du beseelt von der Idee, deine Worte seien von so viel größerer Bedeutung. Ja, du glaubst, dass du wichtiger bist …“
„Es wäre aber auch möglich, dass du überdreht bist und hysterisch.“ Er sprach mit kühlem Kopf. Jessa biss sich auf die Lippen und sah weg. In all ihrer Nacktheit fühlte sie sich nicht mehr wohl, und ihr wurde bewusst, dass sich zartes Rosa nicht nur über ihre Wangen, sondern über den gesamten Körper ausgebreitet hatte.
Sie sollte gehen. Auf der Stelle. Die vereinbarte Nacht war vorüber. Es gab keinen Grund, noch über irgendein Thema zu reden. Alles war gesagt. Es war an der Zeit, in ihr eigenes Leben zurückzukehren und Tariq dorthin zu befördern, wo er hingehörte. In die Vergangenheit.
Sie schwang ihre Beine über die Bettkante und erhob sich, darauf bedacht, ihn nicht anzusehen.
„Ich denke, ich werde ein Bad nehmen“, sagte sie und merkte, dass sie noch nie so aufgeräumt, fast aufgekratzt geklungen hatte. „Danach werde ich nach York zurückkehren.“
Tatsächlich war sie verlegen. Angespannt. Vielleicht würde dieses Gefühl nur so lange andauern, bis sie wieder zu Hause war. Sie versuchte es abzuschütteln. Doch als sie auf das Badezimmer zuging – einen eigenen kleinen Palast –, musste sie an Tariq vorbei.
Er hob eine Hand.
„Komm her“, sagte er ruhig.
Sie zögerte. Dann dachte sie wieder daran, dass ja sie es war, die ihn im Griff haben sollte. Dass sie die Nacht unversehrt überstanden hatte. Was sollte er ihr jetzt noch antun? Warum also diese Nervosität?
Langsam schritt sie auf ihn zu. Da war etwas in seinem Blick, das sie nicht zu deuten vermochte. Es war nicht Leidenschaft oder blinde Gier, das würde sie erkennen. Er gab ihr ein Zeichen, näher zu kommen, und vorsichtig kam sie dem nach.
Tariq hob die Hände und ließ sie leicht um ihre Hüften kreisen. Seine Fingerspitzen zogen eine weiche Spur von den Hüftknochen zum Nabel, dann zurück.
Schweigend sah er sie an. Und als sich ihre Blicke trafen, schoss Jessa eine schreckliche Erkenntnis durch den Kopf. Sie wusste mit einem Mal ganz genau, was er da tat und warum er es tat.
Tief atmete sie aus.
Tariq berührte sie nicht zufällig. Er liebkoste sie auch nicht. Er folgte den undeutlichen Linien, die sich um ihren Bauch zogen, die Dehnungsfalten ihrer Entbindung, die sie mit Salben und Lotionen zu entfernen versucht hatte. Hier in der hellen Morgensonne waren sie sichtbarer denn je zuvor. Es waren untrügliche Zeichen ihrer Schwangerschaft.
Die Welt hörte auf, sich zu drehen. Ihr Herz hörte zu schlagen auf. Sein Blick wurde bohrend, der Druck seiner Hände stärker. Sie hörte ein Rauschen in den Ohren, und alles um sie herum verblasste, als ob sie einen Moment lang ohnmächtig gewesen wäre. Doch so viel Glück war ihr nicht vergönnt.
Er wartete ab und sah sie lange an.
Dann verzog sich sein Mund.
Jessa wollte etwas sagen, doch sie war wie gelähmt. Ihre Welt verschwand im kühlen Grün seiner Augen, die kälter schienen denn je. Als er die Stimme erhob, lag so viel Argwohn darin, so viel Beschuldigung, dass sie vor ihm zurückwich.
„Ich habe nur eine einzige Frage“, sagte er. Jedes Wort stach wie ein Messer in ihr Herz. „Wo ist das Kind?“
10. KAPITEL
Alles in Jessa schrie danach, wegzulaufen, zu flüchten, jedenfalls alles zu unternehmen, um Distanz zwischen sich und das Wissen zu bringen, das sie in seinen Augen aufleuchten sah.
Doch sie war immer noch wie gelähmt.
„Nun?“, fragte Tariq, und das Wort klang wie ein Pistolenschuss. „Hast du ein Kind zur Welt gebracht, Jessa?“ Er war kaum hörbar. Jedes Blut war aus seinem Gesicht gewichen, die Augen waren weit aufgerissen. „Hast du mein Kind zur Welt gebracht?“
In ihrem Kopf drehte sich alles, in Panik krampfte sich ihr Magen zusammen, und vor ihren Augen tanzten kleine schwarze Punkte. Bleib ruhig!sagte sie sich . Denke nach! Sie hatte weder geplant, ihn jemals wiederzusehen, noch ihm über Jeremy zu berichten. Warum auch? Außerdem hätte er längst wieder aus ihren Augen sein sollen.
Weitere Kostenlose Bücher