Julia Extra Band 0328
unterwürfig.“
„Und das genügt dir? Das ist alles, wonach du strebst? Du, in dessen Adern das Blut der Könige von Nur fließt?“
„Dann verrate mir doch, was du mit mir vorhast, Onkel“, forderte Tariq den Alten auf. Er war bemüht, seine Ungeduld nicht offen zu zeigen. Diese Art von Konversation führten sie jedes Jahr, seit Tariq die Universität besucht hatte. Schon damals hatte er, sehr zum Missfallen des Onkels, mehr Interesse an seinen Kommilitoninnen gezeigt als am Lernen.
„Du bist ein Nichtsnutz“, erklärte sein Onkel unumwunden. In so ernstem Ton hatte er noch nie zu ihm gesprochen. „Du spielst um Geld und nennst das einen Beruf. Aber es ist ein Witz. Du gewinnst, du verlierst, dein ganzes Leben ist für dich ein Spiel. Du bist nichts als selbstsüchtig, egozentrisch. Ich würde dir ja raten, zu heiraten und deine Pflicht gegenüber der Familie und deinem Blut zu erfüllen. Aber was könntest du später deinen Nachkommen bieten? Du bist nicht einmal ein richtiger Mann.“
Tariq biss die Zähne zusammen. Hier sprach der König zu ihm. Er hatte dessen Worte ernst zu nehmen.
„Ich frage dich noch einmal“, sagte er beiläufig und versuchte Respekt in seine Stimme zu legen. „Was soll ich deiner Meinung nach tun?“
„Es geht nicht darum, was ichwill“, erwiderte der Onkel mit Enttäuschung in seiner Miene. „Es geht darum, wer du bist. Ich kann dich zu nichts zwingen. Du bist nicht mein Sohn. Nicht mein Erbe.“
Die Worte des Königs schnitten Tariq tief ins Herz. Es tat weh. Kein Wunder, wusste er doch, dass es die Wahrheit war.
„Du wirst zukünftig in meiner Familie nicht mehr willkommen sein“, fuhr der Onkel fort, „wenn du nicht einen wertvollen Beitrag leistest.“ Mit grimmigem Blick hatte er Tariq angesehen. „Ich gebe dir sechs Monate, um den Beweis zu erbringen. Wenn du dich bis dahin nicht grundlegend geändert hast, will ich nichts mehr mit dir zu tun haben.“ Unwillig hatte er den Kopf geschüttelt. „Um es dir ehrlich zu sagen, Neffe: Viel Hoffnung habe ich nicht.“
Noch in derselben Nacht verließ Tariq die Villa. Er wollte Distanz zwischen sich und den Onkel bringen und dessen Wort. Noch nie im Leben war er so zornig gewesen, so am Boden zerstört. Niemals hatte er sich je so ausgestoßen und alleine gefühlt. Er war noch nie ein Mann tiefer Gefühle gewesen. Also war er auch unerfahren in dem, was da auf ihn zukam.
Und in dieser Zeit hatte er Jessa getroffen. Und Jessa hatte ihn sofort geliebt.
Er war sich sicher gewesen, dass sie ihn wirklich liebte. Sie war charmant und ungekünstelt. Weder konnte sie sich verstellen noch irgendwelche abstrakt-philosophischen Spielchen treiben. Auch andere Frauen hatten vorgegeben, ihn zu lieben – aber liebten sie ihn oder sein Bankkonto?
„Du bist zu vertrauensselig“, hatte er ihr eines Nachts gesagt, als sie sich vor dem Kamin ausgestreckt hatten und nicht aufhören konnten, sich zu lieben.
„Das stimmt nicht!“, hatte sie lachend protestiert. Schon damals besaß sie diesen warmen Ausdruck in ihren zimtfarbenen Augen. „Dafür bin ich zu schlau!“
„Wenn du meinst“, hatte er gemurmelt. Er hatte förmlich darauf gelauert, dass sie ihr Verhalten ändern würde, sobald sie erfuhr, wer er wirklich war. Das hatten vor ihr alle getan. Er wartete auf fordernde Blicke oder darauf, ihn um Geld zu bitten, einen neuen Wagen oder ein Apartment in schicker Umgebung. Doch Jessa war sie selbst geblieben. Sie hatte sich nicht verändert. Sie hatte ihn ganz einfach geliebt.
„Ich vertraue dir , Tariq“, hatte sie ihm zugeflüstert und ihn mit aller Unschuld und Leidenschaft geküsst, zu der ihr junger Körper fähig war.
Doch dann war sie von einer Sekunde auf die andere verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt, und dieser Umstand hatte ihn mehr beschäftigt, als ihm lieb gewesen war. Bevor er es jedoch richtig realisieren konnte, waren sein Onkel und die Cousins auf einen Schlag getötet worden, und Tariq musste sich der Realität stellen. Welche Bedeutung hatten schon die Gefühle eines liebestrunkenen Mädchens, wenn es Kriege zu verhüten und ein Land zu regieren galt? Außerdem konnte er nun seinem Onkel nie mehr beweisen, was für ein Kerl in ihm steckte. Dass er die Familienehre aufrechterhalten und tun konnte, was seine Pflicht war. Und dass er vor allem als ehrenwerter Teil der Familie gelten wollte.
Er kehrte in die Wirklichkeit zurück, wandte sich vom Fenster ab und Jessa zu. Sie lag nach wie vor mit
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