Julia Extra Band 0349
paar glaubwürdigere Ausflüchte einfallen lassen, sagte Libby sich und machte sich auf den Weg zum Firmensitz von Rafael Alejandro.
Als sie dort ankam, zitterten ihr die Hände vor Nervosität und Aufregung.
Sie meldete sich als Erstes bei der Personalchefin, die sich als Melanie vorstellte. Diese nahm ihre Daten auf und reichte ihr dann eine schwarze Hose mit passender Weste und ein weißes Seidenhemd mit der Aufforderung, sich möglichst rasch umzuziehen.
„Das ist ein Scherz, oder?“, fragte Libby entgeistert.
Melanie blickte gereizt auf die Liste auf ihrem Klemmbrett. „Nein, hier steht: Oberteile Größe achtunddreißig, Röcke oder Hosen Größe sechsunddreißig.“
„Die Größe ist nicht das Problem“, antwortete Libby. Sondern dass Rafael ihre Maße so korrekt einschätzte. Zudem lag hier anscheinend ein Missverständnis vor, das sie schnellstens ausräumen musste.
„Ich gehöre zu keinem Cateringteam“, erklärte sie ruhig. „Heute ist mein erster Tag als Praktikantin.“
„Ja und?“, fragte Melanie verständnislos.
Libby dämmerte es. „Heißt das, als Praktikantin soll ich heute Drinks servieren?“
„Keinen Alkohol“, beruhigte Melanie sie. „Es ist ein informelles Arbeitsfrühstück für das Team, das die Konferenz vorbereitet hat.“
Als hätte ich mit der Art der Getränke Schwierigkeiten, dachte Libby aufgebracht und beherrschte sich tapfer, obwohl sie am liebsten aus dem Gebäude gestürmt wäre.
Genau das bezweckte Rafael, dieser Mistkerl, natürlich damit, dass er sie als besseres Dienstmädchen einsetzte. Der würde sich wundern! Sie schwor sich, durchzuhalten, egal, was ihm sonst noch an Abschreckungsmethoden einfallen mochte.
Wenigstens lässt er mich nicht ein kurzes schwarzes Kleid und eine neckische weiße Rüschenschürze tragen, tröstete sie sich im Stillen.
Mit hoch erhobenem Kopf ging sie in den Umkleideraum und zog die „Uniform“ an. Wenn Rafael erwartet hatte, sie würde hier einen Wutanfall bekommen und es ablehnen, sich die Finger mit Servierarbeit schmutzig zu machen, würde er gleich eines Besseren belehrt werden. Sie war keine verwöhnte höhere Tochter ohne einen Funken Verstand.
Rafael Alejandro war vielleicht daran gewöhnt, seine Untergebenen wie Marionetten tanzen zu lassen, aber bei ihr würde er sich die Zähne ausbeißen! Sie würde die beste Kellnerin abgeben, die ihm je begegnet war.
Hier stand nicht mehr nur die Firma ihres Vaters auf dem Spiel, hier ging es auch um ihren, Libbys, Stolz.
Den würde sie sich von einem Mann wie Rafael nicht nehmen lassen!
Als Libby in den großen Raum im obersten Stock kam, standen dort schon kleinere Gruppen von Gästen beisammen. Einige bedienten sich bereits am reichhaltigen Frühstücksbüfett.
Rafael war noch nicht da, wie sie erleichtert feststellte. Ihr Pulsschlag normalisierte sich augenblicklich.
Ein grauhaariger Mann im schwarzen Anzug, der offensichtlich das Kommando über das Catering innehatte, erschien neben ihr. Er erklärte, dass ihre Aufgabe darin bestand, den Gästen Kaffee nachzuschenken, dabei aber nicht aufdringlich zu sein.
Und ich habe befürchtet, ich würde als Praktikantin den Anforderungen womöglich nicht gewachsen sein, dachte Libby und machte sich an die Arbeit.
Leider versuchte sie dabei, die Tür im Auge zu behalten, und war so nervös, dass sie eine halbe Kanne Kaffee auf das makellos weiße Leinentuch verschüttete, mit dem der Büfetttisch bedeckt war.
Errötend nahm sie eine Serviette von einem Stapel und versuchte, die Bescherung aufzuwischen. Im Raum wurde es plötzlich still.
Nicht weil jeder Libby anstarrte, wie sie befürchtet hatte. Nein, es war sogar noch schlimmer! Rafael war ausgerechnet in diesem Moment hereingekommen und Zeuge ihrer Ungeschicklichkeit geworden.
Vor Schreck stieß sie auch noch eine halb gefüllte Tasse vom Tisch, die klirrend auf dem Boden zersprang.
Ein junger Mann mit arrogantem Gesichtsausdruck lachte wiehernd.
Libby stöhnte laut. Nun starrte bestimmt jeder sie an! Am liebsten wäre sie in einem Mauseloch verschwunden. Aber so etwas gab es in einer so noblen Umgebung natürlich nicht.
„Würden Sie bitte einen Schritt beiseitegehen?“, bat der grauhaarige Ober ruhig.
Ohne großes Getue entfernte er das fleckige Tischtuch und ersetzte es durch ein strahlend weißes. Innerhalb kürzester Zeit waren alle Spuren ihrer Ungeschicklichkeit beseitigt. Die Leute unterhielten sich weiter.
„Machen Sie sich nichts draus.
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