Julia Extra Band 0349
Missgeschicke passieren nun mal“, tröstete der Ober sie.
„Aber warum ausgerechnet heute“, klagte sie. „Und ausgerechnet mir. Tut mir leid, dass ich Ihnen solche Umstände mache.“
„Schon gut, Miss!“ Er lächelte sie an, nickte jemand hinter ihr zu und verschwand mitsamt dem schmutzigen Tischtuch.
Libby schloss kurz die Augen. Auch ohne sich umzudrehen, wusste sie, wer hinter ihr stand.
Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf und wandte sich um. Rafael hatte es bestimmt Spaß gemacht zu beobachten, wie sie sich blamierte.
„Kaffee, Mr Alejandro?“, bot sie gespielt freundlich an und schaute dabei auf einen Punkt knapp neben seiner breiten Schulter.
Rafael wandte sich dem jüngeren Mann neben sich zu. „Was meinen Sie, Callum, wollen wir das riskieren?“
Auch wenn er sich jetzt die spöttische Bemerkung nicht verkneifen konnte, hatte es ihm keine Freude gemacht zu sehen, wie Libby Marchant sich vor allen Anwesenden blamierte. Es hatte ihn aber beeindruckt, wie sie stolz den Kopf gehoben hatte, als der Schnösel sie auslachte.
Und er, Rafael Alejandro, hatte dem Drang widerstehen müssen, zu ihr zu eilen und sie zu beschützen!
„Ich hätte gern noch Kaffee“, antwortete Callum. „Und Kopf hoch. Wir haben uns alle schon mal blamiert. Abgesehen von Rafael natürlich.“
„Die Gerüchte über meine Unfehlbarkeit sind übertrieben“, meinte Rafael leicht gereizt. „Ich nehme auch noch Kaffee.“
Beim Einschenken bebten Libbys Hände leicht, und Rafael kam sich wie ein Schuft vor, weil er ihr das alles eingebrockt hatte.
Aber er brauchte keine Gewissensbisse zu haben. Schließlich war sie freiwillig hier, und er behandelte sie genau so wie seine bisherigen Praktikanten. Denen hatte er auch nichts geschenkt, und zwar, seit ein besonders neunmalkluger und sehr von sich überzeugter junger Mann für böses Blut in der Firma gesorgt hatte. Ja, seither musste jeder Praktikant auf der alleruntersten Stufe der Firma anfangen.
Libby war erleichtert, als sie beiseitetreten musste, weil eine große Frau in einem leuchtend roten Kostüm auf Rafael zueilte. Eine sehr attraktive Frau natürlich! Mit einem heiseren sexy Lachen.
Zum Glück brachte Libby die restliche Arbeitszeit ohne Zwischenfälle hinter sich. Womöglich lag es daran, dass Rafael nur ungefähr fünf Minuten bei dem Frühstück geblieben war. Nachdem er gegangen war, hatte sie nicht mehr das Gefühl gehabt, zwei linke Hände zu besitzen.
Tatsächlich schlug sie sich so gut, dass sie sogar ein Lob einheimste. Als der Ober zu ihr kam, um sie zu dem obligatorischen Personalgespräch zu schicken, das jeder Angestellte absolvieren musste, erwähnte er auch, dass er zufrieden mit ihr wäre – alles in allem.
Erleichtert machte Libby sich auf den Weg zu dem Raum, in dem der Termin stattfinden sollte. Unterwegs wurde ihr klar, dass sie sich freute, weil jemand ihr gesagt hatte, sie könne recht ordentlich Kaffee ausschenken.
Das war so absurd, dass sie laut lachen musste.
„Es ist immer schön zu hören, wenn jemand an seiner Arbeit Spaß hat“, erklang eine tiefe Stimme.
Libby blieb wie vom Donner gerührt stehen. Das Lachen verging ihr.
„Ich hatte vorhin den Eindruck, Sie wollten mir etwas sagen, Miss Marchant?“
Sie wandte sich ihrem Boss zu und zuckte die Schultern. „Nur dass Sie ein übler Mistkerl sind.“
Prima, Libby, hättest du nicht einfach den Mund halten können? schalt sie sich innerlich entsetzt.
„Dann bewundere ich Sie für Ihre Selbstbeherrschung“, erwiderte Rafael ironisch. „Dass Sie tatsächlich so lange gewartet haben, bis wir unter vier Augen sind, verdient Anerkennung.“
Zum Kuckuck damit, dachte Libby nun. Sie hatte ohnehin alles verdorben, da brauchte sie kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen.
„Ich bewundere mich auch für meine Selbstbeherrschung“, rief sie aufgebracht. „Die ist geradezu sagenhaft! Stundenlang war ich höflich zu herablassenden Idioten, die mich kaum bemerkt haben, und ich werde nicht einmal dafür bezahlt – und überhaupt ist Kaffee zu servieren gar nicht so einfach, wie es aussieht. Was immer Sie Ihrem Kantinenpersonal bezahlen, es ist garantiert nicht genug!“
Libby holte tief Luft. Jetzt hatte sie wirklich dem Fass den Boden ausgeschlagen. Welcher Teufel hatte sie da bloß geritten?
„ Ich habe Sie durchaus bemerkt“, teilte Rafael ihr mit.
Verwundert sah sie ihn an. Dass er so gelassen auf ihr wirres und leicht irres Geschimpfe reagierte, hätte sie nie
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