Julia Extra Band 0349
„Ich kann ihn nicht aufgeben.“
Rafael stand wie angewurzelt da und beobachtete alles. Wenn man ihm ein Messer ins Herz gestoßen hätte, wäre es nicht schmerzhafter gewesen, als Libbys tieftrauriges Gesicht zu sehen, während ihre Angehörigen sich ohne ein weiteres Wort umdrehten und weggingen.
Das waren echte … nun ja. Jedenfalls würde er sich bemühen, sie mit Libby zu versöhnen, egal, wie viel Mühe es ihn kosten sollte.
„Hallo, Libby! Ich habe dir was mitgebracht, aber wie ich sehe, bist du schon fertig mit Mittagessen.“
Libby blickte überrascht zu Rafael, der auf sie zukam und, was völlig deplatziert aussah, ein Lunchpaket in der Hand hielt.
Am liebsten hätte sie sich Rafael in die Arme geworfen – wenn sie sich hätte sicher sein können, dass er sie auffangen würde. Da sie es nicht war, hielt sie sich lieber zurück.
„Seit wann stehst du auf Picknicks?“, erkundigte Libby sich scheinbar gleichmütig.
„Ach, ich bin immer für neue Erfahrungen zu haben“, erwiderte er im selben Ton. „Und das hier verspricht, eine ganz ungewöhnliche zu werden.“
Was er damit meinte, war ihr weniger wichtig, als zu wissen, ob er mitbekommen hatte, was sich gerade eben zwischen ihr und ihrer Familie abgespielt hatte.
„Du hast gehört und gesehen, was da eben abgelaufen ist?“, meinte sie befangen.
Er nickte.
„Das war nicht für deine Ohren bestimmt“, sagte sie kläglich und ließ den Kopf hängen.
„Ich will keinen Keil zwischen dich und deine Familie treiben“, versicherte Rafael aufrichtig.
Sie lächelte unter Tränen. „Du kannst mich nicht aufhalten, außer … du sagst mir hier und jetzt, dass du mit mir … nichts mehr zu tun haben willst. Dass wir uns ab sofort nicht mehr – sehen.“
„Die Familie ist wichtig“, erwiderte er ausweichend.
Für sie, Libby, war Rafael längst ihre Familie, wertvoller als alles andere auf der Welt. Schade, dass ihm das nicht klar war!
„Ja, schon“, gab sie zu, „und ich mag sie ja auch, aber sie mussten endlich die Wahrheit erfahren.“
„Und das hat sie wütend gemacht.“ Sanft strich er ihr mit dem Finger über die Wange. „Ich glaube nicht, dass sie wirklich meinen, was sie gesagt haben. Sie lieben dich doch.“
Und warum tust du das nicht? dachte Libby und schluckte. Aber so war es nun einmal, und sie musste akzeptieren, dass sie bestimmte Dinge – wie Rafaels Liebe – nie bekommen würde. Sie sollte lieber genießen, was ihr geboten wurde. So schwer es ihr auch fiel.
„Ja, und ich liebe sie“, verkündete Libby traurig. Nur verlange ich von ihnen kein Opfer als Beweis für ihre Zuneigung, fügte sie im Stillen hinzu.
„Trotzdem: Wenn du dich von ihnen entfremdest, wirst du das – irgendwann – mir anlasten“, meinte Rafael sachlich.
„Niemals!“, erwiderte Libby leidenschaftlich.
Er achtete nicht darauf. „Geh zu ihnen, und sag ihnen, was sie hören wollen. Stell dich auf ihre Seite. Mir ist das … recht.“
„Willst du damit sagen, dass unsere … dass das, was wir – teilen … dass du nicht weitermachen willst mit …?“
„Lieber Himmel, Libby!“ Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Natürlich will ich das nicht sagen!“
Sie atmete tief durch. „Was sonst?“
„Sag ihnen, was sie hören wollen. Dass ich ein Monster bin und du es eingesehen hast. Dann können wir beide weitermachen wie bisher. Wir müssen nur diskret sein.“
„Du meinst, wir müssen lügen“, korrigierte sie ihn unverblümt. „Wir müssen uns in einem Winkel verkriechen und uns wegen unserer … Beziehung billig vorkommen, als täten wir etwas Schlechtes.“ Ihre Stimme begann zu zittern. „Ist es das, was du wirklich möchtest?“
Wenn er mir nicht mehr bietet, bin ich bereit, es anzunehmen, dachte Libby schicksalsergeben.
Aber vorher würde sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um mehr zu bekommen als diesen … Brosamen!
„Natürlich will ich das nicht“, rief Rafael heftig. Was er wollte, war, dass Libby zu ihm gehörte. „Man muss einen Kompromiss finden“, fügte er hinzu.
Sie lachte spöttisch. „Seit wann bist ausgerechnet du für Kompromisse?“
„Seit ich dich getroffen habe.“
Libby stand ganz still da, und sein Blick ließ ihr Herz schneller schlagen.
„ Ich wollte die Beziehung ja nicht geheim halten“, fügte er hinzu. „Vielleicht werden deine Eltern mit der Zeit …“
„Mit der Zeit wirst du längst eine andere haben“, unterbrach sie ihn.
Warum nur habe ich meine
Weitere Kostenlose Bücher