Julia Extra Band 0349
Fantasien. Nie!
„Du bist verklemmt. Du analysierst immer alles zu Tode“, hatte Anna mit dem Zartgefühl einer dreizehn Monate älteren Schwester zu ihr gesagt, als sie Teenager gewesen waren. „Entspann dich, und lass es auf dich zukommen.“
Es war ein guter Rat gewesen. Isabella hatte ihn ausprobiert. Und das Küssen zu mögen gelernt. Zumindest das Küssen mit geschlossenen Lippen. Irgendwann hatte sie die Jungs sogar ein wenig weiter gehen lassen. Hatte ihnen erlaubt, ihre Brüste anzufassen, und mit klinischem Interesse beobachtet, wie das Gesicht vor ihr zu glühen begann und der Atem des Jungen immer schneller wurde.
Während sie außer Verlegenheit und Scham nichts empfunden hatte.
Irgendwann hatte sie mit grimmiger Entschiedenheit beschlossen – so wie jemand beschließt, endlich den Termin für die Wurzelbehandlung beim Zahnarzt auszumachen –, dass es Zeit für ihre erste Erfahrung war. Vielleicht wäre das so etwas wie ein Befreiungsschlag.
Der Mann, mit dem sie geschlafen hatte – ihr Steuerberater –, war wirklich nett gewesen. Hinterher hatte sie ihre Unschuld und ihren Steuerberater verloren. Nach dieser Erfahrung hatte sie beschlossen, Sex und den ganzen Unsinn, der damit zusammenhing, endgültig aus ihrem Leben zu verbannen.
Bis heute.
Isabella atmete hörbar aus. „Genug“, sagte sie in den leeren Raum hinein.
Für alles im Leben gab es eine logische Erklärung, also auch für ihr Benehmen. Sie hatte Hunger, das erklärte schon mal vieles. Vielleicht war sie sogar dehydriert. Nachdem sie etwas gegessen und getrunken hätte, würde es ihr wieder blendend gehen.
Vorher aber würde sie diesen viel zu großen Jogginganzug anziehen, nach unten gehen und Matteo beim Zubereiten des Dinners helfen – Sandwichs, Suppe, was auch immer. Sie würden essen, sich über banale Dinge unterhalten, alles ganz locker, und anschließend würde sie wieder in dieses Zimmer zurückkommen und sich schlafen legen. Das wäre dann das Ende dessen, was hier vor sich ging.
Es ging ja nichts vor sich.
Na schön, vielleicht herrschte tatsächlich eine gewisse erotische Spannung zwischen ihnen. Was an sich schon bemerkenswert war, denn so etwas hatte Izzy bisher noch mit keinem Mann erlebt. Unter den richtigen Umständen könnte Flirten und vielleicht sogar Sex durchaus interessant sein.
Meinst du nicht eher Sex mit dem richtigen Mann, Isabella?
„Der Mann hat überhaupt nichts damit zu tun“, sagte sie bestimmt.
Lügnerin .
Isabella befahl der Stimme in ihrem Kopf, endlich den Mund zu halten, zog die Tür auf und machte sich auf die Suche nach der Küche.
In einer Küche fühlte Rio sich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Vor allem in dieser Küche.
Der Architekt hatte den Auftrag gehabt, eine Küche zu planen, die zum Haus passte. Dabei herausgekommen war dieser riesige Raum mit einer Ausstattung, die jedem Sternekoch ein glückseliges Lächeln entlocken würde, ihn aber nur verwirrte, und mit einer Beleuchtung, die Chirurgen sich in ihrem OP gewünscht hätten.
Er drückte auf Schalter und drehte an Dimmern, bis das Flutlicht auf ein erträgliches Maß gedämpft war, und wünschte, er könnte dasselbe mit seiner Libido tun.
Dieser Irrsinn muss aufhören, dachte er, als er die Kühlschranktür aufzog. Schließlich hatte er Isabella nicht hergebracht, um mit ihr zu schlafen. Nicht, dass er nicht ständig an Sex mit ihr gedacht hätte, aber er war zu einer Entscheidung gekommen. Es würde keinen Sex geben. Wenn er sie einfach nicht mehr berührte, wäre dieser Vorsatz auch ohne Probleme einzuhalten.
Er hatte sie nur hierher gebracht, weil sie sonst nirgendwohin konnte.
Das stimmte nicht ganz. Er hätte sie nach New York fliegen können. Oder eine Limousine mieten können. Aber dann wäre die Katze aus dem Sack gewesen. Und es gab keinen Grund, warum er ihr irgendetwas erklären sollte. Nach dem Frühstück würde er sie nie wiedersehen.
Wo fand man in einem Kühlschrank für eine sechsköpfige Familie die erwähnten Steaks? Ah, dort! Und im Gemüsefach lagen Maiskolben. Hatte er wirklich erst vor ein paar Stunden mit dem Verwalter gesprochen? Rio schien es eine Ewigkeit her zu sein. Seit Isabella die Auffahrt entlanggestolpert war, schien Zeit eine neue Dimension bekommen zu haben.
Was allerdings nichts damit zu tun hatte, aus diesen Zutaten ein vernünftiges Dinner zu kochen. Er brauchte etwas im Magen, damit er wieder klar denken konnte. Und sie auch. Etwas Anständiges essen und eine
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