Julia Extra Band 0349
sofort wieder. Dann schob sie die Tür langsam und vorsichtig wieder einen Spalt auf und spähte hinaus. Nero stand mit dem Rücken zu ihr und sprach mit einigen Gauchos. Einer von ihnen hielt Misty. Das kleine Pony war fertig gesattelt für einen Ausritt.
Nero war nichts von ihrer leidenschaftlichen Nacht anzusehen. Völlig konzentriert unterhielt er sich in schnellem Spanisch mit den Cowboys. Seine Reithosen waren makellos, die Stiefel auf Hochglanz poliert. Amandas Herz schlug schneller, als sie daran dachte, wie sie diesen muskulösen Körper vor wenigen Stunden schamlos geküsst hatte.
Sie verstand kaum ein Wort, aber schließlich schien Nero den Gauchos zu sagen, dass sie Misty zurück in den Stall bringen und für die Inglaterra, die Engländerin, fertigmachen sollten. Damit war sie gemeint.
Zur Hölle mit dem Gerede der anderen! dachte Amanda. Rasch schlang sie die Riemchen ihrer hochhackigen Sandalen um das Handgelenk und lief barfuß in ihrem Tangokleid zu Nero hinaus.
Die Männer waren bereits mit Misty zu den Ställen gegangen, und Nero stand allein auf dem Hof. Amanda stutzte einen Augenblick. Er hatte eine Hand in den Nacken gelegt und den Kopf gebeugt, als würde er die Last der Welt auf den Schultern tragen.
Sie spürte, wie ihre ganzen Träume in einer Sekunde zusammenbrachen. Es hatte keinen Sinn, so zu tun, als wüsste sie nicht, was in Nero vor sich ging. Mittlerweile kannte sie ihn gut genug, um sein Verhalten zu deuten.
Ihre Zeit in Argentinien war vorbei.
Die Arbeit mit den Jugendlichen war beendet. Alle hatten eine gute Zeit gehabt. Mehr hatte Nero nie gewollt. Auch der Prinz wird zufrieden sein, dachte Amanda wie betäubt. Sie hatte ihre Pflicht erfüllt.
„Nero! Guten Morgen“, sagte sie leichthin.
„Amanda.“ Er drehte sich zu ihr um, aber seine Augen blieben ernst.
„Die Zeit ist also gekommen“, sagte sie so gelassen wie möglich. „Es war …“
„Nicht!“
„Ich werde jetzt meine Sachen packen, Nero“, sagte Amanda, als wollte sie ihn ermutigen. Mit einem kurzen Nicken wandte sie sich ab und ging ohne einen Blick zurück zum Haus.
Im tiefsten Inneren hatte sie es immer gewusst. Nero würde sie nicht bitten, bei ihm zu bleiben. Nero Caracas war kein Mann für eine feste Bindung. Das Leben hatte ihm gezeigt, dass er nur allein glücklich sein konnte. Er hatte ihr alles gegeben, was er zu geben hatte.
Und das war schon eine Menge. Er hatte sie von ihren Ängsten befreit und ihr gezeigt, wie leidenschaftlich sie sein konnte.
Nero Caracas: der Killer, Poloheld, Wahrzeichen von Argentinien, begehrtester Junggeselle und erfahrener Herzensbrecher. Wie konnte sie überrascht sein? Hatte sie ernsthaft geglaubt, dass er den Rest seines Lebens mit ihr verbringen wolle?
Amanda kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen.
Ich brauche nur eine Minute, versicherte sie sich. Eine Minute, um ihre Gedanken zu klären. Dann würde sie den Rest des Tages in Angriff nehmen. Und gleichzeitig den Rest ihres Lebens.
Die nächsten Stunden verbrachte Nero damit, Amandas und Mistys Rückreise zu organisieren. Selbstverständlich würden sie in seinem Privatjet fliegen, und ein Tierarzt würde sie begleiten.
Nach ihrer Abreise würde er sein Leben wie bisher weiterleben.
Einen Moment lang dachte er an das glückliche Leuchten in Amandas Augen. Kann es sein, dass ich sie liebe?
Für einen Augenblick schloss Nero die Augen. Er wusste nichts über die Liebe, nur dass sie zerstörerisch war und alles Gute zugrunde richtete. Er wollte nicht einmal darüber nachdenken! Amanda und er hatten eine vorübergehende Geschäftsbeziehung miteinander geteilt. Das war alles.
Er hätte sie nie verführen dürfen! Jetzt würde er sie niemals vergessen. Je eher sie zurück nach England ging, desto besser.
Nach der Arbeit für den Prinzen würde ihre Karriere noch erfolgreicher werden. Von Arbeit verstand Nero etwas. Nach dem Tod der Großmutter hatte er die Ranch ausgebaut, genau wie Amanda nach dem Tod ihres Vaters die Pferdezucht zu neuem Ruhm verholfen hatte. Arbeit war Aufbau. Liebe war Zerstörung. Diese Lektion hatte er schon als kleiner Junge gelernt.
Aber er wollte Amanda! Mehr als alles andere auf der Welt. Trotzdem musste er sie gehen lassen. Auch wenn es ihm das Herz brach. Es ging nicht anders. Was er ihr bieten konnte, würde ihr Leben und ihre Karriere zerstören, alles, für das sie so hart gearbeitet hatte.
Es gibt nichts mehr zu sagen, dachte Amanda traurig und schloss ihren Koffer.
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