Julia Extra Band 356 - Ebook
Frauen nach ihm umblickten. Sie rief sich ins Gedächtnis, wie souverän er die Flirtversuche von Cassandras schönen Freundinnen abgewehrt hatte. Aber konnte sie seiner wirklich sicher sein? Damals in Australien war sie es gewesen, bis sie erfahren hatte, wie wenig sie ihm tatsächlich bedeutet hatte.
Aber eine Ehe hatte doch einen anderen Stellenwert als eine reizvolle Episode . Mit dem Ehering am Finger würde er ganz öffentlich zu ihr gehören. Das musste ihr eine gewisse Sicherheit geben. Überhaupt verlieh der Status der Ehefrau ihr in vieler Hinsicht ganz andere Rechte und Möglichkeiten. Wenn sie sich auf diese Ehe mit Ari einließ und sich nicht durch die Angst vor einer neuerlichen Enttäuschung lähmen ließ, konnte ihr Leben viel an Vielfalt gewinnen. Und wenn alles dann wirklich in einer Scheidung enden sollte, würde die großzügige finanzielle Regelung ihr unendliche Möglichkeiten eröffnen. Auf Aris Liebe zu hoffen war vielleicht ein unerfüllbarer Traum, aber wer weiß? Selbst das konnte sich mit der Zeit entwickeln, wenn man das „Liebste miteinander teilte“, wie ihre Mutter sich ausgedrückt hatte.
Die Häuser in Oia waren dicht gedrängt in den steilen Felsenhang gebaut. Auch der Eingang des kleinen, aber sehr luxuriösen Hotels lag in einer der schmalen Gassen, zu beiden Seiten lediglich durch Pflanzenkübel markiert. Der Angestellte an der Rezeption begrüßte Ari überschwänglich und begleitete ihn und Tina zu einer Suite im obersten der drei Stockwerke, die mit Blick aufs Meer in den Kraterrand gebaut waren. Bad, Schlafzimmer und Balkon waren klein, aber fein, und die Aussicht vom Balkon war atemberaubend.
„Sonnenuntergang ist um acht Uhr“, bemerkte der Hotelangestellte noch, bevor er sich diskret zurückzog.
Noch drei Stunden bis dahin, dachte Tina, legte ihren Rucksack auf einen Stuhl und steuerte zielstrebig auf den Balkon zu, weil es sie plötzlich nervös machte, mit Ari in dem Schlafzimmer allein zu sein. Von den Balkonen führte eine Wendeltreppe hinunter zu einem kleinen Pool, der etwa die Hälfte des Hofes im Erdgeschoss ausmachte. Einige wenige Gäste sonnten sich dort auf Liegestühlen am Beckenrand.
Das dezente Plopp eines Champagnerkorkens veranlasste Tina, sich umzudrehen. Ari kam mit zwei Gläsern perlendem Champagner auf sie zu.
„Früher hast du gern ein Gläschen davon mit mir getrunken“, sagte er sanft. „Wie wär’s? Vielleicht hilft dir der Alkohol, dich ein wenig zu entspannen.“
Kläglich lächelnd nahm sie eines der Gläser. „Danke. Es ist sechs Jahre her, seit ich mit einem Mann zusammen war.
„Ich kann mir denken, dass Theo es für dich schwierig gemacht hat, neue Beziehungen einzugehen.“
Nicht Theo, sondern du. Sie sprach es nicht laut aus, weil es ihm nur verraten hätte, dass sie nicht von ihm losgekommen war. Er sollte sich bei ihr nicht zu sicher fühlen.
Jetzt hob er sein Glas zu einem Toast an und stieß mit ihr an. „Auf eine Nacht voller Wieder- und Neuentdeckungen, Christina.“
Sie trank einen großen Schluck in der Hoffnung, dadurch die Schmetterlinge in ihrem Bauch zur Ruhe zu bringen. Ari legte ihr einen Arm um die Taille und zog Christina zu sich heran. Seine Nähe beschwor sofort erregende Erinnerungen herauf – daran, wie wundervoll es einmal zwischen ihnen gewesen war – und weckte gleichzeitig ein unerwartet heftiges Verlangen, all diese aufregenden Gefühle wieder zu entdecken.
„Ich will nicht bis heute Abend warten.“ In einem plötzlichen Entschluss stellte Tina ihr Glas auf die Balkonbrüstung und wandte sich Ari herausfordernd zu. „Lass es uns jetzt tun, Ari. Ich will nicht umworben oder verführt werden … oder was immer du sonst noch drauf hast. Tatsache ist doch, wir wollen es einfach wissen, oder?“
Ohne zu zögern, stellte er sein Glas neben ihres und presste sie an sich. Seine Augen blitzten herausfordernd. „Ja, viele Fragen warten auf eine Antwort, und ich will auch nicht mehr warten.“
Im nächsten Moment küsste er sie so wild und heftig, dass sie sich fragte, ob es klug gewesen war, ihn dazu zu ermuntern. Sie kannte Ari nur als zärtlichen, behutsamen Liebhaber. Kalte Panik ergriff sie. Was wusste sie denn schon von ihm? Wenn er im Grunde nichts für sie empfand …
„Verdammt!“ Schwer atmend blickte er auf und sah sie entschuldigend an. „Ich werde mich beherrschen! Fangen wir noch einmal an.“
Ehe sie etwas erwidern konnte, küsste er sie erneut, diesmal allerdings ganz zart.
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