Julia Extra Band 356 - Ebook
Kiryls Armen. Sie hatte den Sturm der Leidenschaft und überwältigende Lust erlebt. Tränen standen ihr in den Augen, als sie Kiryl ansah und mit dem Finger seine Lippen nachzeichnete. „Ich habe so ein Glück, dass ich dir begegnet bin“, wisperte sie. „Ich liebe dich, Kiryl. Du bedeutest mir alles.“
Etwas rührte sich in ihm. Das Gefühl, weicher zu werden, ein kleiner Funke Hoffnung, wie Licht in der Dunkelheit oder feiner Morgennebel, der sich lichtete. Etwas so Gefährliches, dass er unwillkürlich davor zurückwich. Solche Gefühle konnten ihn nur verwundbar machen – so verwundbar, wie er als Junge gewesen war. Und er hatte sich damals geschworen, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Alena konnte so emotional sein, wie sie wollte, es war ihm egal. Er durfte sich von diesen Gefühlen nicht beherrschen lassen, auch wenn es in seinem Herzen ein leises Echo darauf gab.
Es machte ihn wütend, dass Alena diese Wirkung auf ihn hatte. Dennoch zwang er sich zu sagen: „Du mir auch.“ Und das war nicht gelogen, selbst wenn sich eine andere Bedeutung dahinter verbarg.
Der Klang seiner Stimme erfüllte Alena erneut mit Zärtlichkeit. Sie spürte, dass es ihm nicht leicht fiel, über seine Gefühle zu sprechen, was sicher mit seiner unglücklichen Kindheit zusammenhing. Aber ihre Liebe zu ihm würde ihm helfen, dieses dunkle Kapitel seiner Vergangenheit zu überwinden. Vor Glück fühlte sie sich ganz warm und leicht.
Sie hatten drei wunderbare Tage in St. Petersburg. Die wundervollsten, die Alena sich hätte vorstellen können, wenn sie ein solches Glück überhaupt für möglich gehalten hätte. Die tiefe Freude, die ihr das Zusammensein mit Kiryl bescherte, war stärker als alles, was sie je erfahren hatte. Am Morgen erwachte sie unter seinen Küssen und seinen Zärtlichkeiten, die sie in eine Wolke von Sinnlichkeit hüllten.
Tagsüber erkundeten sie gemeinsam die Stadt, die Alena so liebte. Es bereitete ihr großes Vergnügen, Kiryl besondere Orte zu zeigen, die er bisher nicht gekannt hatte. Nur ein einziges Mal legte sich ein Schatten auf ihr Glück, an einem Nachmittag, als sie gerade Arm in Arm durch die pittoreske Altstadt wanderten. Als Kiryl vor einem der prächtigen Häuser der Jahrhundertwende stehen blieb und hinaufschaute, dachte sie zuerst, dass er nur die Architektur bewundern wollte. Doch als sie sich gerade lobend über die prächtige Fassade äußern wollte, bemerkte sie seinen düsteren Gesichtsausdruck.
„Hier hat mein Vater gelebt. Und hier bin ich ihm auch zum ersten Mal begegnet, nachdem ich herausgefunden hatte, dass er mein Vater war.“
Die Bitterkeit in seiner Stimme traf Alena mitten ins Herz. Wie viel Glück hatte sie doch mit ihren Eltern gehabt, die ihr so viel Liebe geschenkt hatten. Kiryl musste sehr unter der Ablehnung seines Vaters gelitten haben. Er schien sich noch heute nach seiner Liebe zu sehnen.
„Es tut mir so leid“, sagte sie voller Mitgefühl. „Ich weiß gar nicht, wen ich mehr bedauern soll, denn dein Vater hat sich selbst ja schließlich auch einen schrecklichen Verlust zugefügt, indem er dich zurückgewiesen hat. Er hätte die Freude haben können, dich aufwachsen zu sehen. Wahrscheinlich war ihm überhaupt nicht bewusst, was ihm durch seinen falschen Stolz entgangen ist.“
„Es war seine Entscheidung“, erwiderte Kiryl mit versteinerter Miene.
Alena wusste inzwischen, dass es besser war, nicht an diese Wunde zu rühren. Deshalb wechselte sie das Thema und fragte Kiryl, ob er jemals in der Eremitage gewesen sei.
„Nein, ich war immer zu beschäftigt.“
Alena sah ihn überrascht an. „Dann wird es aber Zeit, das muss man einfach gesehen haben.“
Als sie am nächsten Tag den Malachit-Raum des Winterpalasts besichtigten, musste Kiryl ihr recht geben.
„Früher war hier drinnen der sogenannte Jaspis-Raum, doch der wurde bei einem Brand im Jahre 1837 zerstört“, erklärte Alena. „Danach wurde er renoviert und diente fortan als Empfangszimmer der Kaiserin Alexandra Fyodorovna. Ich habe von Anfang an gedacht, dass du dich hier eigentlich sehr wohl fühlen müsstest.“
Kiryl war sich da nicht so sicher. Er musste an seinen Vater denken, der bei diesem Gedanken vermutlich gelacht hätte: Wenn sich der ungewollte Sohn einer Zigeunerin in einem königlichen Palast jemals zu Hause fühlte, dann bestimmt nur als Mitglied der Dienerschaft. Alena schien das allerdings ganz anders zu sehen.
„Es hängt mit deinen Augen zusammen“,
Weitere Kostenlose Bücher