Julia Extra Band 357
würden viele in dem Fall von Vertragsbruch sprechen, und die Feindseligkeiten könnten leicht wieder ausbrechen. Unsere Familien genießen großen Respekt. Wenn wir es richtig angehen, könnten wir als vereinende Kraft agieren, und unser Volk würde uns auf dem Weg zu langfristigem Frieden unterstützen.“
„Und Sie sind bereit, Ihre eigene Freiheit dafür zu opfern?“, erkundigte sich Ruby mit skeptischer Miene.
„Ich habe gar keine Wahl. Es ist meine Pflicht“, erklärte Raja mit einer beredten Geste.
Seine Hände sind noch ausdrucksvoller als seine Worte, ging es ihr durch den Kopf. Nachdem sie ihn einen Moment betrachtet hatte, sagte sie spontan: „Was für ein Unsinn! Wie können Sie sich so einfach fügen?“
Er atmete tief durch, bevor er antwortete. „Als Mitglied der königlichen Familie führe ich ein sehr privilegiertes Leben. Meine Eltern haben mir immer vermittelt, dass das Wohl meines Landes für mich an erster Stelle stehen muss.“
Spöttisch verdrehte sie die Augen. „Also, ich führe kein privilegiertes Leben und bin auch nicht mit solchen Wertvorstellungen aufgewachsen. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich Ihnen das abnehmen soll.“
Raja, der es nicht gewohnt war, wegen seiner konservativen Haltung und seiner ehrbaren Absichten angegriffen zu werden, straffte die Schultern und presste die Lippen zusammen. Er war verletzt, aber entschlossen, es nicht zu zeigen. Das eigentliche Problem war vermutlich, dass Ruby selten nachdachte, bevor sie sprach, und man ihn nur selten kritisierte oder herausforderte. „Das heißt?“
„Haben Sie auch an der Front gekämpft?“, erkundigte sie sich unvermittelt.
„Ja.“
Nun legte sie ihr Besteck weg und lehnte sich zurück. In ihren Augen lag ein verächtlicher Ausdruck.
„So ist es im Krieg nun mal.“
„Und nun glauben Sie, Sie könnten sich freikaufen, indem Sie mich heiraten und als Retter auftreten, wo Sie einmal der Aggressor waren?“ Energisch schob sie ihren Teller weg. „Tut mir leid, aber ich möchte nicht die Schachfigur in einem Machtkampf sein oder für Sie das Mittel zum Zweck, damit Sie Ihr Gewissen erleichtern können. Ich möchte jetzt gehen.“
Seine Augen funkelten feindselig, als Raja sie betrachtete. „Sie haben mir gar nicht richtig zugehört …“
Ruby hob das Kinn. „Oh doch, und ich habe Sie verstanden. Ich kann nicht so sein, wie Sie es sich vorstellen. Ich bin keine Prinzessin, und ich will mich nicht für das Volk oder das Land opfern, das meiner Mutter das Herz gebrochen hat.“
Ihre Worte klangen so melodramatisch, dass Raja beinah laut gestöhnt hätte. „Sie reden wie ein kleines Kind.“
Nun errötete sie tief. „Wie können Sie es wagen?“, stieß sie hervor.
„Sie müssen dieses Dilemma ganz nüchtern betrachten. Vielleicht sind Sie Ihrem Geburtsland gegenüber voreingenommen, aber Sie dürfen keine alten Geschichten aufwärmen als Entschuldigung …“
„Von wegen ‚alte Geschichten‘!“, ereiferte sie sich und machte dabei Anstalten aufzustehen. „Ich bin ohne Vater aufgewachsen. Und er hat eine andere Frau geheiratet, während er noch mit meiner Mutter verheiratet war! Und wenn Sie das als voreingenommen bezeichnen, bekenne ich mich gern dazu!“
„Schreien Sie nicht so, und setzen Sie sich!“, ermahnte der Prinz sie scharf.
Ruby war so verblüfft, dass sie sich instinktiv wieder setzte und ihn entgeistert ansah. Woher nahm er eigentlich das Recht, sie herumzukommandieren? „Reden Sie gefälligst nicht in diesem Ton mit mir!“
„Dann beruhigen Sie sich, und denken Sie an die Menschen, denen es nicht so gut geht wie Ihnen.“
„Ich werde trotzdem nicht bereit sein, einen Fremden zu heiraten“, konterte sie wütend, während sie ihre Serviette auf den Tisch warf. „Dachten Sie etwa, ich wäre so dumm und würde Sie nicht durchschauen? Sie wollen den Thron von Ashur, und den können Sie nur mit meiner Hilfe bekommen!“
Erstaunt beobachtete Raja, wie Ruby aufsprang und hocherhobenen Hauptes davonschritt. Hatte sie etwa keine Manieren? Wie konnte sie ihm in der Öffentlichkeit eine solche Szene machen? Glaubte sie wirklich, er würde den Thron von Ashur wollen ? Sie musste völlig weltfremd sein. Er war der zukünftige Herrscher eines der reichsten Staaten am Persischen Golf – er brauchte nicht auch noch dessen armes Nachbarland zu regieren.
Nach einem zwanzigminütigen Marsch traf Ruby wieder in der Kanzlei ein. Nun, da sie Gelegenheit gehabt hatte, über ihren
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