Julia Extra Band 357
ließ Gabriel ihre Schultern los und wandte sich von ihr ab. „Na schön, dann will ich es dir erklären“, sagte er mit harter Stimme. „Als ich neunzehn war, sind meine Eltern und mein Bruder bei einem Autounfall gestorben, und ich war derjenige, der am Steuer saß. Guilherme lebte schon seit Monaten mit einer Kellnerin zusammen, die von ihm ein Kind bekommen hatte. Er hatte ohne das Wissen meiner Eltern sein Studium geschmissen und hauste mit ihr und seiner kleinen Tochter in einer winzigen Wohnung in São Paulo, weil er sich nichts Besseres leisten konnte.“
Gabriel stieß hörbar die Luft aus. „Mein hochbegabter Bruder, der einmal Arzt werden wollte, führte jetzt eine erbärmliche Existenz als kleiner, schlecht bezahlter Laborant!“
„Daher kennst du dich so gut mit Kindern aus“, murmelte Laura. „Du hast Zeit mit deiner kleinen Nichte verbracht.“
„Ja“, bestätigte er grimmig. „Ich habe Guilherme lange gedeckt, aber als er mir mitteilte, dass er diese Frau heiraten würde, war ich sicher, dass sie eine Goldgräberin war. Also schleppte ich meine Eltern nach São Paulo, damit sie die Hochzeit verhinderten, und wir überredeten Guilherme schließlich, mit uns nach Rio zu kommen, um alles in Ruhe auszudiskutieren. Ich konnte den Gedanken einfach nicht ertragen, dass mein Bruder sein ganzes Leben in den Sand setzte, nur weil er versehentlich eine Frau geschwängert hatte.“
Natürlich, dachte Laura unglücklich. Was bedeutete schon ein Kind im Vergleich zu einer glanzvollen Karriere?
„In jener Nacht hatte es geregnet“, fuhr Gabriel wie getrieben fort. „Ich habe den Wagen gefahren, damit meine Eltern Guilherme zur Vernunft bringen konnten, aber stattdessen überzeugte er sie davon, dass es das einzig Richtige sei, wieder umzukehren und Izadora und seine Tochter in den Schoß der Familie aufzunehmen.“
Er hielt kurz inne und schluckte hart. „Als er mich aufforderte, den Wagen zu wenden, habe ich kurz über die Schulter geschaut, um ihm ein paar passende Worte zu sagen. Es war wirklich nur für eine Sekunde, aber …“ Er verstummte erneut und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. „Ich habe das Steuerrad herumgerissen und bin wie ein Wahnsinniger auf die Bremsen getreten, aber der Wagen war nicht mehr in den Griff zu bekommen. Während wir die Klippe hinunterstürzten, hörte ich meine Mutter noch schreien, dann schlugen wir auf dem Boden auf. Alle waren sofort tot, außer mir“, schloss er und sah Laura ausdruckslos an. „Ich hatte Glück gehabt.“
„Oh Gabriel …“ Laura wollte ihn tröstend in den Arm nehmen, aber er wich ihr aus.
„Wie sich herausstellte, hatte ich mich in Izadora getäuscht“, eröffnete er ihr bitter. „Als ich ihr nach der Beerdigung anbot, ein Haus für sie zu kaufen und ein Konto für ihr Kind einzurichten, wollte sie nichts davon wissen. Stattdessen hat sie mir an den Kopf geworfen, dass ich ihr den geliebten Mann und den Vater ihres Kindes genommen hätte, und dass sie hoffte, ich würde eines Tages in der Hölle verrotten.“
Laura erschauerte.
„Inzwischen hat sie einen Amerikaner geheiratet und ist nach Miami gezogen. Meine Nichte ist jetzt erwachsen.“ Gabriel atmete tief durch, und Laura bemerkte, dass seine Augen verdächtig schimmerten. „Sie ist jetzt fast zwanzig, und ich habe sie zuletzt gesehen, als sie ein Baby war.“
„Aber sie ist doch alles, was dir noch von deiner Familie geblieben ist!“, wandte Laura schockiert ein.
Gabriel presste die Lippen zusammen. „Warum hätte sie mich sehen wollen, nachdem sie durch mein selbstherrliches Eingreifen ihren Vater verloren hat?“
„Aber es war doch ein Unfall, Gabriel! Du hast nur versucht, deinem Bruder zu helfen. Wir alle machen Fehler, besonders wenn es um die Menschen geht, die wir lieben. Ich bin sicher, dass Guilherme dir vergeben hätte, und deine Eltern ebenso. Sie haben dich geliebt, weil sie dein Herz kannten. Sie wussten, dass du nie …“
„Ich will nicht darüber reden“, unterbrach Gabriel sie brüsk. „Du wolltest wissen, warum ich keine eigenen Kinder will, und ich habe dir den Grund genannt.“
„Dafür ist es zu spät“, flüsterte Laura.
„Was soll das heißen? Wozu soll es zu spät sein?“
Sie schloss für einen Moment die Augen, dann hob sie das Kinn. „Ich hatte nie einen anderen Liebhaber, Gabriel. Es hat immer nur dich gegeben, verstehst du?“
Gabriels dunkle Brauen zogen sich wie Sturmwolken zusammen. „Das ist unmöglich“,
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