Julia Extra Band 357
sinnlichen Lippen und den tollen Beinen, die in dem kleinen Schwarzen besonders gut zur Geltung kamen, verkörperte sie all seine erotischen Fantasien. Glaubte sie wirklich, er könnte sie wieder wie eine geschlechtslose Fremde behandeln? Er hatte sie tatsächlich hintergangen, indem er ihr seine wahren Absichten verschwieg, wie er sich dann ins Gedächtnis rief. Und sie zahlte es ihm auf diese Weise heim. Er musste ihr Zeit geben, damit sie sich an ihre neue Rolle gewöhnen konnte.
„Ich werde mein Bestes tun“, sagte er ausdruckslos.
Ruby fragte sich, warum Raja so zornig wirkte. Wieder einmal musste sie sich eingestehen, dass sie gern gewusst hätte, was in ihm vorging, wie er tickte. Wollte er nur mit ihr schlafen, weil er dachte, es wäre sein gutes Recht als ihr Ehemann? Oder hätte er sie auch um ihrer selbst willen begehrt? Und warum spielte es für sie überhaupt eine Rolle, wenn sie nie vorgehabt hatte, mit ihm ins Bett zu gehen?
Später half Raja ihr dabei, das blaue Kleid anzuziehen. Es passte perfekt, und das Royalblau schmeichelte ihrem hellen Teint. Als sie am Frisiertisch saß und sich kämmte, kam er zu ihr und reichte ihr eine Schmuckschatulle. „Ein kleines Geschenk für dich.“
Ruby öffnete die Schatulle und betrachtete verblüfft die Kette mit dem Anhänger, einem großen, lupenreinen Diamanten. Von wegen kleines Geschenk ! Obwohl sie nie teuren Schmuck besessen hatte, ahnte sie, dass diese ein Vermögen gekostet haben musste.
„Danke“, sagte sie heiser.
„Darf ich?“ Raja hob ihr das Haar an, um ihr die Kette anzulegen. Als seine Fingerspitzen dabei ihren Nacken streiften, erschauerte sie, und das schwelende Verlangen in ihr loderte auf. „Eigentlich wollte ich dir Ohrringe schenken, aber du hast keine Löcher.“
„Stimmt. Ich bin ziemlich feige. Ich habe einmal eine Freundin zum Juwelier begleitet, und sie ist in Ohnmacht gefallen, als man ihr Löcher gestochen hat. Außerdem hat es so geblutet, dass ich auch umgefallen bin!“, gestand sie, um die Atmosphäre aufzulockern.
Nun legte er ihr die Hand auf die Schulter. „Ruby …“
„Meine Mutter hat mir erzählt, dass mein Vater meinen Namen ausgesucht hat“, fuhr sie schnell fort. „Er hat immer gesagt, eine tugendhafte Frau wäre mehr wert als Rubine. Ich empfinde es eher als Kränkung, dass er sich meine Zukunft so vorgestellt hat – an der Seite eines Mannes.“
„Aber ich bin froh, dich als Frau zu haben.“
„Ja, weil es Teil des Friedensvertrags war“, bemerkte sie unbeeindruckt. „Ich bin sozusagen Kriegsbeute.“
Zwei Wochen später, am Abend vor Rubys erstem Besuch in Najar, hatte Raja einen schönen Tagtraum. Wäre Ruby vor hundert Jahren seine Kriegsbeute gewesen, hätte sie ganz ihm gehört. Diese typisch männliche Fantasie beschwingte ihn, als er sich auf dem Weg zu dem Waisenhaus befand, das seine Frau seit ihrem ersten Aufenthalt dort fast jeden Abend besuchte. Er hatte es von Wajid erfahren, denn sie hatte ihm verschwiegen, wo sie ihre knapp bemessene Freizeit verbrachte.
Ganz bewusst verbrachte sie diese nicht mit ihm. Für ihn war es ein weiterer Beweis dafür, dass seine Frau, mit der er nur auf dem Papier verheiratet war, ihm nicht vertraute. Grimmig presste er die Lippen zusammen. Sie schliefen zwar in einem Bett, aber Ruby hatte eine zusammengerollte Decke in die Mitte gelegt. Zuerst hatte er darüber gelacht, aber inzwischen fand er es nicht mehr amüsant.
Sein Mobiltelefon summte und signalisierte den Eingang einer Nachricht. Als er diese abrief, stellte er fest, dass Chloe ihm ein Foto von sich geschickt hatte. Ruby hatte nicht so perfekte Züge wie sie, sondern eine Stupsnase und eine winzige Lücke zwischen den beiden mittleren Schneidezähnen. Doch wenn er sie sah, hatte er nur Augen für sie. Verächtlich verzog er die Lippen, als er die Mitteilung seiner Geliebten las. Er hatte nicht das Bedürfnis, ihr erotische Nachrichten zu schicken. Inzwischen hatte sie sich zu einem Klotz am Bein entwickelt. Dann musste er sich allerdings eingestehen, dass er begeistert geantwortet hätte, wenn Ruby ihm eine derartige Botschaft hätte zukommen lassen. Aber eher würde sein Land eine bemannte Rakete zum Mond schicken.
Trotzdem konnte er sich nicht beschweren. Seine Frau kam ihren Verpflichtungen als zukünftige Königin nach und füllte ihre Rolle perfekt aus. Mit ihrer Herzenswärme nahm sie die Menschen sofort für sich ein. Und diese liebten sie wegen ihrer lockeren Art und ihrer
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