Julia Extra Band 357
Außerdem wusste sie, dass sie ein Eigentor geschossen hatte. Während ihr die Tränen über die Wangen liefen, dachte sie an Leyla. Dabei wurde ihr klar, dass sie wieder genauso gehandelt hätte. Ihr Bedürfnis, dieser Liebe zu schenken, war überwältigend gewesen. Aber hatte sie Raja praktisch dazu gezwungen, diese Verpflichtung mit ihr zusammen einzugehen? Sie vermisste die Kleine sehr und konnte den Tag kaum erwarten, an dem sie sie aus dem Waisenhaus holen würde. Sie hatte sich schon vorgestellt, wie sie es zusammen mit Raja tun würde, aber wahrscheinlich übten Chloes Botschaften eine stärkere Faszination auf ihn aus.
Nachdem sie ein T-Shirt, einen Jeansrock und Sandaletten angezogen hatte, ging Ruby in den Hof, wo sie im Schatten einer bewachsenen Pergola einen Salat aß. Zum Glück war ihr nicht mehr übel. Es war ein idyllisches Plätzchen, an dem blühende Büsche und exotische Blumen den massiven Steinmauern die Schwere nahmen. Der Springbrunnen in der Mitte mit dem Mosaikboden machte die Hitze erträglich. Wäre sie besserer Stimmung gewesen, hätte sie geglaubt, sie wäre im Paradies.
Ruby überlegte, was sie Raja sagen sollte. Sie musste offen sein und erwartete dasselbe von ihm. Er musste ihr sagen, wie wichtig ihm Chloe war.
Hermiones aufgeregtes Bellen kündigte ihr an, dass Raja den Hof betreten hatte. Und tatsächlich stand er wenige Sekunden später vor ihr, überwältigend attraktiv in einem Designeranzug, dessen helles Grau einen faszinierenden Kontrast zu seinem schwarzen Haar bot.
„Hier habe ich mein Telefon liegen lassen?“ Er nahm das Smartphone vom Tisch. „Ich habe es schon überall gesucht. Ohne es bin ich völlig aufgeschmissen …“
„Das kann ich mir vorstellen“, sagte Ruby heftig. „Ich möchte ganz offen zu dir sein. Ich habe Chloes Nachrichten gelesen. Als ich das Telefon im Bett gefunden habe, ist mir sofort ihr Foto ins Auge gesprungen, und dann habe ich in den Nachrichten geblättert. Und ich bin froh, dass ich es getan habe.“
Für einen Moment stand er wie erstarrt und sichtlich bestürzt da. „Chloe“, wiederholte er ausdruckslos. „Das ist vorbei.“
„Und warum hat sie dir dann letzte Woche noch mehrere SMS geschickt?“
Stirnrunzelnd betrachtete er sie. „Hast du sie etwa gelesen?“
Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Trotzig hob sie das Kinn. „Wir sind verheiratet. Ich dachte, es wäre mein gutes Recht.“
Eine leichte Röte überzog seine Wangen, doch seine dunklen Augen funkelten herausfordernd. „Auch wenn ich verheiratet bin, habe ich ein Anrecht auf meine Privatsphäre.“
„Nicht wenn du mit mir verheiratet bist. Na gut, ich habe geschnüffelt. Aber ich stehe dazu“, erklärte Ruby entschlossen. „Und ich gestehe dir das gleiche Recht zu. Ich habe keine Geheimnisse vor dir.“
Seine Miene war ungerührt. Für eine Weile herrschte angespanntes Schweigen, während eine Angestellte Pfefferminztee und einen Teller mit Keksen servierte. Mit klopfendem Herzen schenkte Ruby ihnen ein.
Unter gesenkten Lidern betrachtete Raja sie. Schließlich umspielte ein Lächeln seine sinnlichen Lippen. „Dass du die Nachrichten gelesen hast, ist mir peinlich“, gestand er.
„Dass du sie bekommen hast, sollte dir peinlich sein“, konterte sie. Doch die Anspannung fiel ein wenig von ihr ab, weil sie nicht glaubte, dass er so lässig reagiert hätte, wenn das zwischen Chloe und ihm etwas Ernstes gewesen wäre.
„Meine Affäre mit Chloe ist beendet – das war sie in dem Moment, als wir beide die Ehe vollzogen haben“, fügte er hinzu.
„Ich möchte dir ja glauben, aber warum schickt sie dir dann immer noch solche Nachrichten?“, hakte sie nach.
„Denk doch nach“, meinte er trocken. „Für mich war Chloe nur ein netter Zeitvertreib, ein Mittel zum Zweck. Für sie lag mein größter Vorzug darin, dass ich viel Geld für sie ausgegeben habe, und darauf möchte sie natürlich nicht verzichten. Da ich sie nicht wiedersehen wollte, habe ich meinen Anwalt letzte Woche beauftragt, ihr eine Abfindung zu zahlen. Ich nehme an, sie wollte mit den Nachrichten versuchen, mich wieder ins Bett zu locken. Ich habe nicht darauf geantwortet, um sie nicht zu ermutigen.“
„Sie war deine Geliebte“, bemerkte sie nervös, erleichtert, weil offenbar keine tieferen Gefühle im Spiel gewesen waren. Genau das beunruhigte sie allerdings auch. „Das klingt so … emotionslos.“
„Wir haben beide davon profitiert. Ich wollte keine
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