Julia Extra Band 362
tödlich verunglückt. Sergios war seitdem der gesetzliche Vormund der Kinder. Bei ihrem zukünftigen Ehemann handelte es sich um einen mächtigen, äußerst furchteinflößenden Schiffsmagnaten, der viel reiste und noch mehr arbeitete. Wenn sie ehrlich war, hatte Zara erst in dem Moment die Angst vor Sergios verloren, als er ihr offenbart hatte, dass er nur deshalb eine Frau suchte, weil er eine Mutter für die drei Waisen in seinem Haus brauchte. Diese Rolle auszufüllen, traute Zara sich durchaus zu.
Außerdem sehnte sie sich verzweifelt danach, ihre Eltern stolz zu machen. Der tragische Tod ihres Zwillingsbruders Tom im zarten Alter von zwanzig hatte ein riesiges Loch in ihre Familie gerissen. Zara hatte ihren Bruder angebetet. Sie war nie wütend gewesen, weil er der erklärte Liebling ihrer Eltern war, die für Toms schulische Leistungen umso dankbarer waren, weil sie von Zaras Defiziten ablenkten. Kurz vor dem Abitur hatte Zara die Schule abgebrochen, weil sie einfach nicht klarkam. Tom dagegen war an die Uni gegangen und studierte BWL, um einmal ins Familienunternehmen einzusteigen. Doch dann baute er mit seinem Sportwagen einen Unfall und starb noch an Ort und Stelle.
Ihr charismatischer, erfolgreicher Bruder war genau das gewesen, was ihre Eltern sich als Sohn gewünscht hatten. Seit Toms Tod verlor ihr Vater immer häufiger die Kontrolle über sein gefährliches Temperament. Wenn sich Zara also eine Möglichkeit bot, ihre Eltern für Toms Verlust – und für ihre eigene Existenz – zu entschädigen, dann würde sie auf jeden Fall zugreifen. Zumal es eine traurige Tatsache war, dass Zaras ganze Erziehung ohnehin nur darauf angelegt war, für einen wohlhabenden Mann die perfekte Ehefrau zu spielen. Ja, es gab nur eine einzige Sache, mit der sie ihre Eltern stolz machen konnte: Sie musste einen vermögenden und erfolgreichen Mann heiraten.
Die Kinder in Sergios’ Londoner Haus hatten ihr Herz berührt. Da sie selbst einst ein äußerst unglückliches Kind gewesen war, wusste sie ganz genau, wie die drei sich fühlten. Als sie in die traurigen kleinen Gesichter blickte, war ihr klar geworden, dass sie hier etwas wirklich Gutes tun konnte. Es mochte zwar sein, dass Sergios selbst sie nicht brauchte, aber diese Kinder taten es, und sie war überzeugt, dass sie eine gute Mutter sein würde.
Außerdem hatte ihr Vater sie zum ersten Mal im Leben voller Stolz angeblickt, als sie zugestimmt hatte, Sergios zu heiraten. Nie würde sie dieses warme, glückselige Gefühl vergessen, das sie in diesem Moment verspürt hatte. Und dann gab es noch einen weiteren Grund, warum ihr die Heirat als gute Idee erschien. Zara war überzeugt, dass die Ehe mit Sergios ihr eine Freiheit schenken würde, die sie zuvor nie gekannt hatte. Freiheit von ihrem Vater, dessen Wutanfälle sie zu fürchten gelernt hatte, aber auch Freiheit von den geradezu krankhaften Ansprüchen ihrer stets perfekt gestylten, viel zu ehrgeizigen Mutter. Die Freiheit, endlich sie selbst sein zu dürfen.
„Und was passiert, wenn du dich verliebst?“, wandte Bee ein.
„Das wird nicht geschehen“, erklärte Zara im Brustton der Überzeugung. Mit achtzehn hatte ihr jemand gründlich das Herz gebrochen. Seit dieser schrecklichen Erfahrung hatte sie sich nie mehr für einen Mann erwärmen können.
Bee stöhnte laut. „Mein Gott, über diesen Mistkerl Julian Hurst wirst du doch wohl mittlerweile hinweg sein?“
„Vielleicht sind mir zu viele schlechte Männer begegnet, um an Liebe und Treue zu glauben“, versetzte Zara mit einer Spur Zynismus. „Wenn sie nicht hinter dem Geld meines Vaters her sind, interessieren sie sich nur für einen One-Night-Stand.“
„Nun, das war noch nie dein Ding“, bemerkte Bee trocken. Obwohl die Medien so taten, als hätte Zara schon tausend Lover gehabt, wusste sie ganz genau, dass die meisten Männer ihre Schwester kalt ließen.
„Und wer hätte das gedacht? Sergios ist beides völlig egal. In dieser Hinsicht braucht er mich nicht …“ Trotzdem würde Zara niemals zugeben, wie froh sie über den Mangel an sexuellem Interesse war.
Bee erstarrte. Diesmal wirkte ihre Miene noch entsetzter als zuvor. „Himmel, sag jetzt bloß nicht, du hast zugestimmt, eine dieser offenen Ehen mit ihm zu führen?“
„Bee, mir ist völlig egal, was Sergios tut, solange er sich diskret verhält. Und genau das ist es, was er will – eine Ehefrau, die sich nicht in sein Leben einmischt.“
Ihre Schwester schien mit jedem Wort
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