Julia Extra Band 371
entführe?“, fragte er höflich. „Ich muss wirklich unbedingt mit ihr reden.“
Ihre Mutter warf ihr einen prüfenden Blick zu, dann begannen ihre Augen zu funkeln. „Nein, gehen Sie nur. Ich genieße inzwischen die Pralinen. Danke dafür.“
„Gern geschehen!“ Er lächelte.
Aufrichtig. Nicht höflich aufgesetzt – und ohne eine Spur von Mitleid. Callie bewunderte ihn dafür, wenn auch nur widerwillig.
„Wir gehen nach draußen, Mum“, verkündete sie. Schließlich wollte sie keine Ohrenzeugen für das Gespräch!
Archer folgte ihr widerspruchslos in den Flur.
„Wie hast du mich überhaupt gefunden?“, fragte Callie brüsk.
„Du hast gesagt, dass du heute bei deiner Mutter bist. Von meinem Haus aus hast du nur deine Mutter angerufen, also wusste ich, die Nummer in Melbourne ist die des Heims hier. Dann habe ich hier angerufen und einfach gefragt, wie ich hierherfinde und welches Zimmer deine Mutter hat.“
„Du bist der reinste Sherlock Holmes“, bemerkte sie bissig.
„Nein, ich wäre ein lausiger Detektiv. Ich habe nämlich keine Ahnung, warum du mitten in der Nacht weggelaufen bist, Callie.“
„Es war früher Morgen“, verbesserte sie ihn. „Und da Tom und Izzy nach Melbourne wollten, bin ich mitgefahren, um möglichst früh bei Mum zu sein.“
„Quatsch! Du hast Tom nicht morgens um vier angerufen und spontan eine Mitfahrgelegenheit organisiert. Das bedeutet, du hast alles schon am Abend vorher auf dem Fest arrangiert.“
Warum kann er kein hirnloser Muskelprotz sein? fragte sich Callie. Es behagte ihr nicht, von ihm so scharfsinnig durchschaut worden zu sein.
„Tom hat klugerweise sein Handy ausgeschaltet, also kann ich ihn nicht fragen, aber ich bezweifle auch so nicht, dass du ihn als Fluchthelfer eingespannt hast.“ Archer runzelte verunsichert die Stirn. „Ich versteh dich nicht. Zwischen uns war doch etwas, was …“
„ War ist das entscheidende Wort“, unterbrach sie ihn.
Ihr Herz klopfte trotzdem wie wild bei dem Gedanken, er könnte hier sein, weil er sich tatsächlich etwas aus ihr machte.
Nein, es hatte keinen Sinn, sich das Unmögliche zu wünschen. Eine Beziehung würde niemals funktionieren.
„Ach, Archer, wir hatten eine tolle Woche, aber jetzt ist die schöne Zeit vorbei.“
„Das muss nicht sein“, widersprach er rebellisch und zog aus der Jackentasche ein zusammengefaltetes Papier. „Hier. Das sollte dein Weihnachtsgeschenk sein.“
Als sie es nicht sofort nahm, drückte er es ihr in die Hand.
„So, jetzt sieh es dir an, Callie. Na los!“
Neugierig geworden tat sie es. Und atmete tief durch. In der Hand hielt sie als Computerausdruck ein Flugticket erster Klasse, weltweit gültig und ein Jahr lang unbegrenzt gültig. Sozusagen ein Freiticket für die ganze Welt! Auf ihren Namen.
„Ich will nicht, dass wir aufgeben, was wir jetzt haben, Callie“, erklärte Archer sanft. „Mit diesem Ticket kannst du zu mir kommen, egal, wo ich gerade bin. Dann machen wir uns …“
„Nein!“ Sie zerknüllte das Papier und ließ es fallen. Ihr Herz fühlte sich schwer wie Blei an. „Hast du es immer noch nicht kapiert? Ich kann hier nicht nach Belieben weg. Ich habe Verpflichtungen. Ich kann Mum nicht allein lassen.“
Nun sah er bestürzt aus. „Ich dachte … Ich habe gehofft, du würdest … Wir könnten unsere Beziehung ganz langsam aufbauen…“
„Zu deinen Bedingungen?“, warf sie ein und schüttelte den Kopf. „Nein, wenn du so interessiert bist, unserer Beziehung auf den Grund zu gehen, warum bleibst du dann nicht hier? Statt immer wegzulaufen? Du kannst ja nicht mal mit deiner Familie länger als ein paar Tage zusammen sein. Und das nur ein Mal im Jahr! Wie zum Teufel glaubst du, eine Liebesbeziehung am Leben halten zu können?“
Callie war sich bewusst, was sie tat: Sie sabotierte seinen Versuch, eine Beziehung aufzubauen. Weil sie Angst hatte, ihm immer näher zu kommen und dann zu merken, dass er sich nicht wirklich geändert hatte, sondern noch immer unzuverlässig war. So wie ihr Vater, der viel versprochen und nichts gehalten hatte.
Nein, sie würde nicht riskieren, dass ihr das Herz wieder von einem Mann gebrochen wurde, der letztlich immer nur an sich selbst dachte!
„Ich wünsche dir eine gute Reise!“, sagte sie kühl.
Er blieb stehen. „Diesmal laufe nicht ich vor allem weg, Callie. Du tust es!“
„Ach, Archer!“, sagte sie traurig. „Das zeigt, wie wenig du mich kennst. Ich laufe nicht weg. Ich kann es ja nicht,
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