Julia Extra Band 371
geraubt, und da wollte ich nur noch loslaufen. Zum Flughafen, dachte ich zuerst, aber dann wurde mir eins klar.“
Er verstummte kurz und sah sie an. Was sie in seinen Augen las, ließ ihr Herz noch heftiger pochen. War es Bewunderung? Hoffnung? Oder sogar Liebe?
„Ich habe gemerkt, dass ich nicht weglaufen will. Das Ticket war mein ungeschickter Versuch, dir zu sagen, dass ich mit dir zusammen sein will, Callie. Ich kann dich nicht verlieren. Nicht noch einmal.“
Als er nicht weitersprach, ergriff sie endlich das Wort. „Ich kann dir aber nicht rund um die Welt nachsausen, Archer, auch wenn Mum behauptet, es wäre okay.“
Er nickte. „Das ist mir klar. Ich dachte, ich bleibe vorerst noch hier und gebe Unterricht in meiner Surfschule.“
„Du bleibst in Torquay?“, hakte sie schockiert nach und spürte, wie ihre Verteidigungsstrategien sich still und leise in Luft auflösten.
„Nur, wenn du mir ab und zu Gesellschaft leistest.“ Er lächelte herausfordernd.
Das gab es doch nicht! Archer Flett, der berühmte Weltenbummler, war bereit, Wurzeln zu schlagen. Ihretwegen!
Davon hatte sie geträumt. Dafür hätte sie vor acht Jahren alles gegeben.
Trotzdem konnte sie es nicht tun, selbst wenn es sie drängte, auch einmal egoistisch zu sein und zu tun, was sie wollte.
Ja, jetzt war er bereit zu bleiben, aber wie lange? Was, wenn sie monatelang getrennt sein würden, weil sie bei ihrer Mutter blieb und er beruflich unterwegs war?
Ständiger Druck tat einer Beziehung nicht gut. Irgendwann würde er Schluss machen, und dann stand sie wieder da wie vor acht Jahren: verliebt in Archer und mit gebrochenem Herzen.
„Also, Callie, was sagst du?“, drängte er. „Glaubst du, du kannst mich in deinem Leben ertragen?“
Ja, ja, ja, hätte sie am liebsten gerufen. Aber sie hatte zu große Angst, ihn irgendwann wieder zu verlieren. Das wäre dann noch schlimmer, als gar nicht erst eine richtige Beziehung anzufangen.
„Ich … ich kann nicht, Archer. Es tut mir leid“, flüsterte sie und stand auf.
Sie sah noch, wie er sie fassungslos anschaute, dann lief sie aus dem Lokal. Draußen herrschte ein ziemliches Gedränge. Auf dem Bürgersteig beiderseits der Straße standen Tische und Stühle, an denen fröhliche Menschen saßen, und Callie kam nur langsam voran.
Was jetzt? Ihr Zögern kostete sie den kleinen Vorsprung, den sie gehabt hatte. Plötzlich spürte sie einen festen Griff um den Arm.
„Ich habe dem Kellner gesagt, dass er uns den Tisch freihalten soll“, informierte Archer sie. „Zuerst muss ich einiges mit dir klären. Privat.“
Sie hätte sich losreißen können, aber die Leute blickten ohnehin schon interessiert zu ihr und Archer. Womöglich alarmierten sie dann die Polizei. Nein, da war es besser, sich zu fügen.
Er führte Callie zum Auto, wo sie sich auf den Beifahrersitz fallen ließ wie ein widerspenstiges Kind.
„Nora hat mir gesagt, du hättest Probleme damit, Menschen zu vertrauen, und du würdest mir alles Weitere erzählen. Geht es jetzt darum?“
„Vielleicht finde ich dich ja bloß nicht so toll wie du denkst“, fauchte Callie und beschimpfte ihre Mutter im Stillen als Petze.
Er lachte. „Das kaufe ich dir nicht ab. Versuch’s nochmal.“
Sie presste die Lippen aufeinander. Vielleicht würde er ja aufgeben, wenn sie einfach stur schwieg.
„Nora sagt, du hättest Angst. Hat dich ein Typ mal schlecht behandelt? Würde es dir helfen, wenn ich ihn entmanne?“
Unwillkürlich musste sie lächeln.
Er merkte es natürlich. „Also, ich präsentiere dir jetzt eine absurde Vermutung nach der anderen, bis du mir die Wahrheit sagst.“
Ja, das traute sie ihm durchaus zu. Ein Mann, der fünf Mal Weltmeister geworden war, gab bestimmt nicht schnell auf.
Callie atmete tief durch. „Mein Dad hat mich oft enttäuscht. Er hat immer viel versprochen und wenig gehalten. Er kam nur zu Besuch, wenn es ihm in den Kram passte – und das war nicht oft. Als Mum krank wurde, hat er den Kontakt zu uns ganz abgebrochen.“
Archer fluchte wütend.
„O ja, das Wort habe ich auch schon öfter benutzt“, gab Callie zu und hoffte, er würde jetzt nicht weiter nachhaken und auf den wahren Grund stoßen, warum sie solche Angst vor einer Beziehung hatte. „Also, wegen meinem Dad fällt es mir schwer, zu vertrauen.“
„Da ist noch etwas anderes“, vermutete er.
Sie hätte wissen müssen, dass er zu scharfsinnig war, um ihre Ausflüchte nicht zu durchschauen.
„Callie, dein Vater klingt
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