Julia Extra Band 371
wir mal an, dieses Mädchen entpuppt sich als die Enkelin, die du dir wünschst“, spann Alexius den Gedanken weiter. „Wie wird sie reagieren, wenn sie herausfindet, dass ihr verwandt seid und ich dein Patensohn bin? In diesem Moment muss ihr klarwerden, dass du ihr eine Falle gestellt hast …“
„Wenn sie erst einmal den Rest der Familie kennengelernt hat, wird sie meine Beweggründe verstehen“, erklärte Sokrates, ohne zu zögern. „Ich weiß, dass der Plan nicht perfekt ist. Aber es ist der einzige Weg, um herauszufinden, ob ich sie wirklich bei mir aufnehmen kann.“
Nach dem gemeinsamen Mittagessen flog Alexius nach London zurück. Er war ungewöhnlich aufgewühlt. Sein Leben, das waren millionenschwere Transaktionen und die Herausforderung, seinen Konkurrenten immer einen Schritt voraus zu sein. Herauszufinden, ob die lang verschollene Enkeltochter seines Patenonkels als Erbin taugte, lag ihm hingegen nicht. Es war eine große Verantwortung – und keine leichte Aufgabe für jemanden wie Alexius, der sich damit schwertat, offen auf andere Menschen zuzugehen.
Tatsächlich herrschte in seinem Privatleben ebenso eiserne Disziplin wie in seinem Berufsleben. Feste Bindungen wollte er nicht eingehen, und er vertraute nur wenigen Menschen. Er war das letzte verbleibende Mitglied seiner Familie, aber durchaus überzeugt, dass ihn dieser Umstand nur härter gemacht hatte. Komplizierten Beziehungen zu Frauen ging er aus dem Weg, und seine Affären waren von so oberflächlicher Natur, dass er sich manchmal selbst ekelte. Seine schönen Gespielinnen verlangten oftmals einen Preis für ihren Körper, bei dem selbst eine Prostituierte errötet wäre.
Obwohl er sich bewusst war, dass er die Frauen für ihre Dienste entlohnte, indem er sie mit kostspieligen Diamanten und teuren Designerkleidern überhäufte, war er kein Heuchler. Diese Frauen besaßen das angeborene Talent, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, aber Alexius fand ihre Gier nach Reichtum nicht schlimmer als sein eigenes körperliches Bedürfnis nach sexueller Befriedigung.
„Was ist so besonders an diesem Job, dass wir dafür den weiten Weg in Kauf nehmen müssen?“, fragte Zoe ungeduldig.
Rosie unterdrückte einen Seufzer. Die beiden jungen Frauen hatten soeben dem Sicherheitspersonal des Bürogebäudes die Ausweise gezeigt und schoben nun den Reinigungswagen zum Aufzug. „STA Industries ist ein großer internationaler Konzern. Auch wenn Vanessa nur einen kleinen Vertrag ausgehandelt hat, ist dies immerhin der Hauptsitz der Firma. Und Vanessa ist überzeugt, dass weitere Aufträge folgen werden, wenn wir hier gute Arbeit leisten. Uns hat sie ausgewählt, weil wir ihre besten Mitarbeiterinnen sind, wie sie sagt.“
Die attraktive dunkelhaarige Frau neben Rosie verzog unbeeindruckt das Gesicht. „Wir sind vielleicht ihre besten Mitarbeiterinnen, aber leider bezahlt sie uns nicht danach.“
Zwar war Rosie ebenfalls alles andere als begeistert von der ungewohnt langen Anfahrt, aber bei der momentanen Wirtschaftslage war sie froh, überhaupt einen Job zu haben. Außerdem hatte Vanessa ihr eine erschwingliche Unterkunft gestellt. Tatsächlich war Rosie erst vor einer Woche von ihrer Mitbewohnerin auf die Straße gesetzt worden. Nur das Angebot von Vanessa hatte sie und ihren kleinen Hund Baskerville vor der Obdachlosigkeit gerettet. Und sie empfand noch immer tiefe Dankbarkeit für das preiswerte möblierte Zimmer, das sie wie andere Angestellte von Vanessa in einem eigens von der Arbeitgeberin angemieteten Haus bezogen hatte.
Das Reinigungsunternehmen von Vanessa Jansen bestand aus wenigen Mitarbeiterinnen, und sie konnte sich nur auf dem Markt behaupten, indem sie die Konkurrenz drastisch unterbot. Das Unternehmen warf entsprechend wenig ab, und Rosies Lohntüte war dünn. Allerdings mussten alle Unternehmen sparen, und Vanessa hatte in jüngster Zeit einige Stammkunden verloren.
„Du kommst nie zu spät oder meldest dich krank. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann“, hatte ihre Chefin sie gelobt. „Wenn wir durch STA Industries neue Aufträge gewinnen, bekommst du eine Gehaltserhöhung. Versprochen.“
Obwohl Rosie daran gewöhnt war, dass Vanessa ihre vollmundigen Versprechen mit schöner Regelmäßigkeit brach, hatte sie ihre Chefin höflich angelächelt. Sie arbeitete abends als Reinigungskraft, um tagsüber ihren Schulabschluss nachholen zu können. Tatsächlich hätte sie der Chefin durchaus Tipps für die
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