Julia Extra Band 371
Enkelin allerdings als geeignet erweisen, werde ich ihr einen Batzen Geld vermachen.“
„Was meinst du mit ‚geeignet‘?“, fragte Alexius stirnrunzelnd.
„Wenn sie ein gutes Mädchen ist, das das Herz am rechten Fleck trägt, ist sie in meinem Haus willkommen. Auf dein Urteil konnte ich mich schon immer verlassen, deshalb möchte ich, dass du für mich herausfindest, ob sie charakterlich einwandfrei ist.“
„Ich? Warum fliegst du nicht selbst hin und triffst dich mit ihr?“, fragte Alexius verdutzt.
„Ich habe mich dagegen entschieden. Für ein paar Tage eine freundliche Maske aufsetzen kann jeder. Rosie dürfte bald herausfinden, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, wenn sie sich mir gegenüber von ihrer besten Seite zeigt.“ Lebenslange Enttäuschung zeichnete sich im sorgenvollen Gesicht des alten Mannes ab. „Es steht zu viel auf dem Spiel, als dass ich mich auf mein Urteil verlassen möchte. Ich wünsche mir einfach zu sehr, dass sie anders ist als der Rest der Familie. Für Geld haben meine eigenen Kinder mich schon allzu oft belogen und betrogen. Ich möchte meine Hoffnungen nicht zu sehr an das Mädchen hängen, denn sonst laufe ich Gefahr, wieder zum Narren gehalten zu werden. Und ich brauche keinen weiteren Schmarotzer, der sich an meine Rockschöße hängt.“
„Ich verstehe immer noch nicht, was du eigentlich von mir erwartest“, gestand Alexius.
„Ich möchte, dass du Rosie unter die Lupe nimmst, bevor ich mich mit ihr in Verbindung setze.“
„Sie unter die Lupe nehmen?“, wiederholte Alexius ungläubig.
„Ja, ich möchte, dass du sie kennenlernst und ihr auf den Zahn fühlst.“ Sokrates sah ihn hoffnungsvoll an. „Es bedeutet mir viel, Alex.“
„Das ist nicht dein Ernst, oder? Du verlangst, dass ich mich mit einer … Reinigungskraft treffe?“ Die Verblüffung stand dem jüngeren Mann ins Gesicht geschrieben.
Sokrates blickte ernst. „Ich habe dich nie für einen Snob gehalten.“
Bei diesem Vorwurf erstarrte Alexius. In seinen Adern floss das Blut von Generationen schwerreicher blaublütiger Griechen. Wie hätte er bei diesem Stammbaum etwas anderes als ein Snob werden können? „Aber wie soll ich ein Treffen einfädeln, ohne dass sie Verdacht schöpft, ich könnte etwas mit ihr im Schilde führen?“
„Beauftrage die Reinigungsfirma, für die sie arbeitet, oder … dir fällt schon etwas ein“, beteuerte Sokrates zuversichtlich. „Ich weiß, ich bitte dich um einen großen Gefallen und du bist eigentlich viel zu beschäftigt. Aber es gibt sonst niemanden, dem ich die Angelegenheit anvertrauen möchte. Ich kann ja schlecht meinen Sohn – ihren Onkel – oder einen ihrer nichtsnutzigen Cousins hinschicken, oder?“
„Nein, das wäre unfair. Sie würden in jedem neuen Familienmitglied nur Konkurrenz sehen.“
„Eben.“ Sokrates wirkte erleichtert, dass sein Patensohn endlich begriff. „Wenn du dich dieser Sache annimmst, stehe ich tief in deiner Schuld. Sollte sich Rosie Gray als geldgierige Person entpuppen, erspar mir bitte die unschönen Details. Ich will nur wissen, ob sie eine Chance verdient.“
„Ich lass es mir durch den Kopf gehen“, sagte Alexius widerwillig.
„Lass dir bitte nicht zu viel Zeit mit deiner Entscheidung. Ich werde schließlich nicht jünger“, warnte Sokrates.
„Gibt es etwas, das ich wissen müsste?“, fragte Alexius, plötzlich besorgt, dass ihm der alte Mann womöglich gesundheitliche Probleme verschwieg. Obwohl ihn das Vertrauen, das Sokrates in ihn setzte, rührte, wollte er den heiklen Auftrag nur ungern annehmen. „Du hast schließlich noch andere Freunde …“
„Aber keinen, der in puncto Frauen so erfahren ist wie du“, entgegnete Sokrates ernst. „Du wirst ihren wahren Charakter durchschauen. Ich bin überzeugt, dass du dir von ihr kein X für ein U vormachen lässt.“
Alexius griff nun doch zu seinem Drink. „Gut, ich denke darüber nach. Aber geht es dir wirklich gut?“
Der alte Mann nickte stur. „Ja, kein Grund zur Besorgnis.“
Obwohl Alexius sich insgeheim doch sorgte, ließ ihn der verschlossene Blick seines Patenonkels von weiteren Fragen absehen. Die ungewohnt freimütige Rede des alten Mannes war beunruhigend genug gewesen. Sokrates hatte seinen Stolz überwunden und Alexius gerade seine Seele offenbart, als er die Enttäuschung über seine beiden Kinder eingestanden hatte. Alexius verstand nur zu gut, warum sein Patenonkel sich nicht noch einen Nassauer aufbürden wollte.
„Nehmen
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