Julia Extra Band 371
Alexius lag neben ihr. Sein markantes Gesicht wirkte im Schlaf weicher, die langen schwarzen Wimpern berührten fast die exotischen Wangenknochen. Er war so attraktiv, so geheimnisvoll. Sie wollte seine Gefühle verstehen, wollte wissen, warum er so reserviert war. Die leidenschaftliche Nacht mit ihm war wunderschön gewesen, sie hatte jede Sekunde genossen. Wahrscheinlich wäre er verletzt, wenn er erfuhr, dass ihr am besten die Zeit danach gefiel, in der sie in seinen Armen lag und seine Nähe spürte.
Es machte Rosie Angst, dass er so viel Macht über sie gewonnen hatte. Sie hatte sich in ihn verliebt, aber er würde nie dasselbe für sie empfinden. Eine Putzfrau, die zudem noch Jungfrau gewesen war, das war für ihn nur ein Abenteuer. Wie lange würde Rosie ihn noch in ihren Bann ziehen können, bis er dieses Abenteuer leid war?
Sie aßen das Frühstück auf der Veranda, von der man einen atemberaubenden Blick auf den weißen Strand und das türkisglitzernde Meer hatte. Davor hatte Alexius Rosie durch das Haus geführt, das wie aus der Zeit gefallen schien. Gerade so, als hätte nie jemand lange genug dort gelebt, um es neu einzurichten oder zu modernisieren. Vergeblich hatte Rosie nach Familienfotos Ausschau gehalten.
„So eine Familie waren wir nicht“, antwortete Alexius trocken, als sie beim Frühstück danach fragte.
„Aber es muss dir in deiner Kindheit doch Spaß gemacht haben, so nah am Strand zu wohnen.“
Alexius verfiel in unangenehmes Schweigen.
„Deine Kindheit war nicht sehr fröhlich, oder?“, hakte sie nach.
„Nein“, gestand er schließlich. „Aber man hat sich um mich gekümmert und mir eine gute Erziehung angedeihen lassen. Jetzt lass uns einen Spaziergang machen.“
Sie gingen an den herrlichen Strand. Verträumt blickte Rosie auf die glitzernden Wellen, als Alexius’ Handy klingelte. Er nahm das Gespräch auf Griechisch entgegen und lehnte sich an einen Felsen. Lächelnd streckte er Rosie die Hand entgegen und zog sie zu sich. Es war eine Geste, die in ihr die Hoffnung weckte, dass er doch mehr für sie empfinden konnte. Glücklich vergrub sie den Kopf an seiner Brust und sog den vertrauten herben Duft ein.
„Dein Großvater kommt heute Nachmittag her“, sagte Alexius nach dem Auflegen.
„Was will er?“, fragte Rosie besorgt.
„Wahrscheinlich möchte er eure Unstimmigkeiten bereinigen. Du bist seine Enkelin, und das bedeutet einem Mann mit einer Familie wie seiner viel.“
„Hoffentlich will er mich nicht wieder zu einer Hochzeit mit dir drängen“, murmelte sie unbehaglich.
„Ich habe ihm gesagt, dass ich den Antrag zurückziehe“, erklärte Alexius sachlich. „Wir haben fantastischen Sex, das reicht mir. Warum sollten wir da noch heiraten?“
Eigentlich hätte Rosie erleichtert reagieren sollen, weil sie nun nicht mehr unter Druck stand, den Antrag anzunehmen. Doch am liebsten hätte sie Alexius geohrfeigt. Er zog den Antrag zurück, weil ihm der Sex reichte? Hatte er seine Meinung vielleicht geändert, weil sie so dumm gewesen war, noch einmal mit ihm ins Bett zu gehen?
Was für eine demütigende Vorstellung! Dabei war Rosie gerade erst klar geworden, wie sehr sie Alexius wollte – und wie verletzlich sie dies machte!
Sokrates Seferis saß auf einem Korbsessel im Schatten der Veranda, als Rosie sich zu ihm gesellte. Sie trug eine weiße Leinenhose und ein hellblaues T-Shirt und lächelte ihn verlegen an. „Ich bin so froh, dass du mich noch einmal sehen wolltest“, gestand sie.
„Ihr seid erwachsen, ich hätte mich nicht einmischen sollen. Außerdem …“ Der alte Mann lächelte verschwörerisch. „… finde ich die Entwicklung recht interessant.“
„Welche Entwicklung?“, fragte Rosie irritiert.
„Mein Patensohn hat noch nie eine Frau mit auf diese Insel genommen. Hierher kommt er, wenn er sich zurückziehen möchte.“
Rosie nahm die Information dankbar an. Das Wissen, dass Alexius nicht jede Freundin auf die Insel brachte, tat ihr gut. „Bist du schon oft hier gewesen?“
„Nur einmal, zur Beerdigung seiner Eltern“, erwiderte Sokrates ernst.
„Du kanntest sie?“, rief Rosie neugierig.
„Ich habe mich nie in ihren Kreisen bewegt“, gestand der alte Mann. „Ich bin mit Alexius’ Großvater zusammen zur Schule gegangen, nur deshalb wurde ich zum Patenonkel auserkoren. Alexius’ Eltern waren sehr reich. Seine Großeltern hatten die Ehe aus rein geschäftlichen Erwägungen arrangiert. Nachdem mit Alexius der ersehnte Stammhalter
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