Julia Extra Band 371
geboren war, trennten sich seine Eltern, ohne allerdings die Scheidung einzureichen.“
„Das klingt traurig.“
„Für ihren Sohn war es mehr als das“, berichtete Sokrates weiter. „Seiner Mutter waren mütterliche Gefühle fremd, und so wurde Alexius von Kindermädchen großgezogen. Mit acht Jahren wurde er schließlich auf ein Internat in England geschickt.“
„Mit acht? Das ist doch viel zu jung, um so weit von zu Hause zu sein“, sagte Rosie entgeistert.
„Einmal war ich auf Geschäftsreise in London“, begann Sokrates und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, „da fiel mir ein, dass es sein zehnter Geburtstag war. Kurzerhand besorgte ich ein Geschenk und stattete ihm einen Überraschungsbesuch ab. Der Direktor der Schule nahm mich zur Seite. Er war besorgt, weil Alexius so gut wie keinen Kontakt zu seinen Eltern hatte. Die Sommerferien verbrachte er zwar auf dieser Insel, aber seine Eltern waren nie anwesend, nur die Hausangestellten. Alexius hat nie erfahren, wie es ist, eine richtige Familie zu haben.“
Bei der Vorstellung, wie einsam sich der Junge gefühlt haben musste, wurde Rosie kreidebleich. Endlich begriff sie, warum ihr Liebhaber emotional so distanziert war. Wie in ihrem eigenen Fall hatten die Menschen, von denen er Liebe erwartete, ihn im Stich gelassen. Im Gegensatz zu ihr hatte er zwar im Luxus gelebt, trotzdem waren ihre Kindheitserfahrungen ähnlich gewesen.
„Möchtest du nicht bei mir in Athen wohnen?“, fragte der Großvater unvermittelt. „Ich würde mich sehr freuen.“
Rosie errötete, da ihr klar wurde, dass sie den alten Mann falsch eingeschätzt hatte. Er war ein gütiger Mensch und versuchte darüber hinwegzusehen, dass sie unverheiratet schwanger geworden war, um ein gutes verwandtschaftliches Verhältnis zu ihr aufzubauen. „Ich …“
„… möchte Alexius nicht verlassen“, beendete er den Satz für sie. „Seid ihr also doch ein Paar?“
„Ähm, i…ich würde nur gern noch etwas Zeit mit ihm verbringen“, stammelte Rosie mit hochrotem Kopf.
„Mein Haus steht dir jederzeit offen. Wenn du kommst, möchte ich ein kleines Fest veranstalten, um dich meinen Freunden und Verwandten vorzustellen“, erklärte Sokrates begeistert. „Aber das kann warten.“
„Danke für dein Verständnis“, antwortete Rosie pflichtschuldig. Eigentlich war sie nach Griechenland gekommen, um ihren Großvater kennenzulernen. Warum also ging es ihr jetzt nur noch darum, bei Alexius zu sein?
Sokrates schüttelte langsam den Kopf. „Ich verstehe nicht, warum du ihn nicht heiraten willst. Offensichtlich empfindest du etwas für ihn. Aber du bist ja alt genug.“
Kurz darauf gesellte sich Alexius zu ihnen und verkündete, dass das Essen in wenigen Minuten serviert würde. Rosie lachte auf, weil Bas hinter Alexius herlief und ihm unaufhörlich in den Schuh biss. Doch sobald der Chihuahua Rosie erblickte, wedelte er mit seinem kleinen Schwanz, und sie nahm Bas auf den Schoß, um ihn Sokrates vorzustellen.
Nach dem Essen plauderten die beiden Männer freundschaftlich miteinander. Rosie war erleichtert, da sie befürchtet hatte, die kleine Auseinandersetzung im Haus des Großvaters hätte zu einem dauerhaften Zerwürfnis geführt.
Später holte der Hubschrauber Sokrates ab, um ihn nach Hause zu bringen.
„Hat Sokrates dich gebeten, zu ihm zu kommen?“, fragte Alexius, nachdem der alte Mann abgereist war.
Rosie wich seinem Blick aus. „Ja.“
„Und was hast du geantwortet?“, fragte er steif.
„Ich habe ihn auf später vertröstet.“ Rosie schluckte beschämt. Es gab für sie keinen Grund, länger auf der Insel zu bleiben, außer dem, dass sie mit Alexius das Bett teilen wollte.
Nachdenklich verzog er den sinnlichen Mund. „Schön.“
„Trotzdem werde ich seiner Einladung bald folgen“, beteuerte sie hartnäckig. „Ich nehme an, dass du bald zu einem dringenden Termin fliegen musst.“
„Ich nehme mir ein paar Tage frei. Wann willst du zu ihm?“
„In … einer Woche? Ich möchte meinen Großvater nicht länger hinhalten. Schließlich bin ich seinetwegen nach Griechenland gekommen.“
Alexius zog mit dem Zeigefinger die sinnliche Linie ihrer Unterlippe nach, und die Berührung jagte einen Schauer über Rosies Rücken. „Auch wenn eine Woche für das, was mir vorschwebt, ein bisschen wenig ist, moraki mou “, gestand er mit rauchiger Stimme.
„Aber das führt doch zu nichts“, protestierte sie.
Statt einer Antwort hob er sie hoch und trug sie ins
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