Julia Festival Band 0105
nicht sehen konnte, wie entsetzt sie war und dass sie mit den Tränen kämpfte. „Mrs. Sanders hat allen Grund, fassungslos zu sein. Ihr Sohn ist mit meiner Verlobten durchgebrannt – die beiden wollen heiraten. Lily hat mir in ihrem Abschiedsbrief alles erklärt.“
„Das ist doch Unsinn!“, entgegnete ihr Vater schroff. „Lily hat sich doch erst gestern Abend mit Ihnen verlobt! Dies ist nichts weiter als ein übler Scherz!“
„Zu meinem größten Bedauern muss ich Ihnen da widersprechen. Gerade die Verlobung hat die beiden zu dieser Kurzschlusshandlung veranlasst. Lily und David lieben sich schon lange, haben es aber immer verheimlicht, um Louises Gefühle zu schonen. Lily hat sich nur mit mir verabredet, um David zu vergessen. Als dann von Heirat die Rede war, ist sie in Panik geraten und hat ihn gebeten, sie vor mir zu retten. Letzte Nacht sind die beiden auf und davon, um Mann und Frau zu werden.“
Louise war wie betäubt. Sie empfand keinen Schmerz, sie wusste nur, dass er kommen würde. Wie ein Film lief alles noch einmal vor ihr ab: Lily, das Handy am Ohr, im Garten und verzweifelt gestikulierend, Davids unbeleuchtetes Haus, sein fehlendes Auto … Am liebsten hätte sie geschrien.
„Damit werden sie nicht durchkommen, das schwöre ich!“ Mr. Trenthams Stimme bebte vor Zorn. „Ich werde sie finden und zurückholen!“
„Ich hoffe, Sie werden nichts dergleichen tun.“ Alex klang sehr gefasst. „Lily ist kein Kind mehr, sondern eine erwachsene Frau, die ihren eigenen Weg gehen will. Diesen Punkt haben Sie und ich bei unseren Plänen leider nicht berücksichtigt.“
„Lily?“ Mrs. Trentham kam aufgelöst ins Zimmer. Sie war aschfahl. „Mein süßes Mädchen und dieser Idiot? Das kann doch nicht wahr sein!“
Louise schluchzte.
Alex blickte Marian eisig an. „Mrs. Trentham! Sie vergessen, dass Sie von Louises ehemaligem Verlobten sprechen.“
„Nichts vergesse ich!“, widersprach sie schrill. „Alles ist Louises Schuld! Sie war es, die diesen Typen ermuntert hat, hierherzukommen. Dabei hat er Lily kennengelernt und ihr vorgezogen. Welcher Mann hätte das nicht getan?“
Alex lächelte verächtlich. „Sie irren sich. Die beiden haben sich in London getroffen, als David dort eine Fortbildung gemacht hat. Das hat Lily mir jedenfalls in ihrem Brief geschrieben. Louise trifft keine Schuld. Sie ist vielmehr zu bedauern, weil sie von den zwei Menschen, die ihr am nächsten standen, verraten worden ist.“
Sie war verraten worden! Diese bittere Erkenntnis brachte Louise auf den Boden der Tatsachen zurück. „Mrs. Sanders wartet noch am Telefon“, sagte sie mechanisch. „Ich werde ihr alles erklären.“
„Nein!“ Alex legte ihr die Hand auf die Schulter. „Das soll Ihr Vater tun – oder Ihre Mutter. Sie haben schon genug durchgemacht.“
„Natürlich!“ Mr. Trentham riss sich zusammen. „Ich gehe schon. Ich weiß aber nicht, was ich ihr sagen soll …“
„Alex, Sie Ärmster!“, wandte sich Marian an Alex, nachdem ihr Mann das Zimmer verlassen hatte. „Wie Sie leiden müssen!“
„Selbstverständlich lasse ich mich nicht gern zum Narren halten“, erwiderte er angespannt. „Dass Ihre Tochter nicht ihr Wort gehalten hat, bringt mich in große Schwierigkeiten. Aber machen wir uns nichts vor. Lily und ich haben uns nie geliebt.“
Marian wurde erneut blass, setzte jedoch schnell wieder ein Lächeln auf. „Sie sind verletzt“, erklärte sie, „und das ist verständlich. Wir sollten alle erst einmal wieder zur Ruhe kommen, und ein gutes Frühstück wird uns dabei helfen. Dann können wir besprechen, was wir unternehmen wollen.“
„Ich für meinen Teil weiß es genau“, antwortete er kühl. „Vielen Dank für Ihre Einladung, aber ich werde sofort zurück nach London fahren.“
„Wir müssen miteinander reden!“, flehte Marian förmlich. „Es ist doch noch nicht alles geklärt!“
„Wenn Sie den Refinanzierungsplan meinen, so ist die Sache für mich geklärt. Der Plan war von bestimmten Voraussetzungen abhängig, die jetzt nicht mehr gegeben sind. Da gibt es nichts mehr zu reden.“
Plötzlich begann sich der Raum um Louise zu drehen. „Ich glaube, mir wird schlecht“, sagte sie mühsam.
Während der schrecklichen Minuten, die dann folgten, nahm Louise lediglich wahr, dass sie nicht allein war. Jemand hielt ihr die Stirn, als sie sich über die Toilettenschüssel beugte, und reichte ihr ein feuchtes Tuch, damit sie sich das Gesicht kühlen
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