JULIA FESTIVAL Band 76
gab ihr einen Stich. Jonathan wollte mit einer anderen Frau ausgehen. Mit ihr essen, tanzen … ins Bett gehen. Schon der Gedanke daran machte sie fast wahnsinnig. Am liebsten wäre sie jetzt davongerannt und hätte sich versteckt oder ihn angegriffen, mit ihren Fäusten bearbeitet und ihm ins Gesicht geschrien, dass er so nicht mit ihr umgehen könne.
Stattdessen tat sie nichts dergleichen. Nicht, wenn er sie so ansah und darauf wartete, dass sie sich wie die unschuldige junge Frau benahm, die sie war. Er glaubte, dass sie gleich zusammenbrechen würde, und das gab ihr die Kraft, Haltung zu bewahren.
„Hör auf, mich so anzusehen“, knurrte er. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich kein Heiliger bin.“
„Das glaube ich dir jetzt“, brachte sie mühsam hervor.
Es klingelte an der Tür.
„Das ist sicher meine Familie“, sagte Cynthia. „Heute Abend findet Jennys Schulball statt. Meine Mutter wollte kurz mit den Kindern vorbeikommen, damit ich sie sehen kann. Wenn du mich entschuldigst.“
Das Gehen fiel ihr unendlich schwer.
Eine andere Frau. Es gab eine andere Frau. Und die ganze Zeit hatte sie geglaubt, dass Jonathan abgeschieden von der Welt lebte. Dass er an nichts und niemanden glaubte. Dass er sie brauchte, um wieder etwas empfinden zu können, so wie Colton sie brauchte, um versorgt zu werden. Dabei hatte er sich die ganze Zeit mit einer anderen Frau getroffen. Und sie hatte sich eingebildet, er sei ein gebrochener Mann, und sie könne ihm helfen!
Sie war ja so dumm gewesen. Jonathan hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, ob er es wert war, der erste Mann in ihrem Leben zu sein. Er hatte befürchtet, dass sie einen One-Night-Stand als solchen nicht erkennen würde. Er hatte Angst, dass sie mehr von ihm erwartete, als er zu geben bereit war. Nicht, dass er nicht dazu fähig gewesen wäre. Nein, er wollte es nicht!
Diese Demütigung machte ihren Schmerz noch schlimmer. Sie riss sich mühsam zusammen, weil sie nicht wollte, dass ihre Familie irgendetwas bemerkte.
„Hallo“, sagte sie mit aufgesetzter Fröhlichkeit, als sie die Tür öffnete. Jenny, ihre Mutter und die Zwillinge standen davor, doch keiner lächelte.
Cynthia begriff erst nicht, was los war, aber dann schob sich jemand vor die anderen. Es war eine große dunkelhaarige Frau mit unglaublichen grünen Augen und einem eng anliegenden, atemberaubenden schwarzen Kleid.
Cynthia starrte sie an. Es war ihr schlimmster Alptraum.
Die Frau hatte nicht nur einen makellosen Körper, sie war auch noch wunderschön. Hochmütig blickte sie auf Cynthia herab. „Ich wusste gar nicht, dass Jonathan eine neue Haushälterin hat. Müssten Sie nicht Dienstkleidung tragen?“
Damit schritt sie an Cynthia vorbei ins Haus. „Teilen Sie Jonathan mit, dass Martha Jean Porter hier ist.“
Sie sprach den Namen aus, als ob er etwas ganz Besonderes sei. Cynthia blinzelte verwirrt.
„Sie ist nicht die Haushälterin, Martha Jean.“
Jonathan war die Treppen heruntergekommen und trat zu ihnen. Er nickte Cynthia zu. „Bitte deine Familie ruhig herein.“
Jetzt erst bemerkte Cynthia, dass sie noch immer in der Tür stand. Sie trat einen Schritt zurück, und ihre Mutter und Geschwister traten zögernd über die Schwelle.
„Cynthia Morgan ist das Kindermädchen meines Neffen“, erklärte Jonathan. „Das ist ihre Mutter, Betsy Morgan, ihre Schwester Jenny, und diese beiden Lausbuben sind Brett und Brad.“
Er lächelte den Jungen zu, doch sie pressten sich nur noch näher an Betsy. „Warum riecht die Dame so komisch?“, flüsterte Brett hörbar.
Martha Jean erstarrte. Dann schlüpfte sie zu Jonathan und schob ihre Hand unter seinen Arm. „Seit wann darf dein Personal Gäste empfangen? Jonathan, das hätte ich nicht von dir gedacht.“
Cynthia wusste nicht, was sie sagen sollte, doch Jonathan kam ihr zu Hilfe.
„Jenny hat heute Abend Schulball. Sie sind nur vorbeigekommen, damit wir sie bewundern können.“ Er wandte sich an Jenny. „Weißt du noch, was ich dir über die Jungen gesagt habe? Heute Abend ist das besonders wichtig.“
Jenny wurde rot. Erst jetzt stellte Cynthia fest, dass ihre langen blonden Haare zu Locken gedreht und hochgesteckt waren. Sie trug ein halblanges cremefarbenes Kleid, das Cynthia bekannt vorkam.
Sie lachte und umarmte ihre Schwester. „Ich erkenne mein Abschlusskleid an dir wieder“, flüsterte sie Jenny ins Ohr. „Aber leider sieht es an dir tausendmal besser aus als an mir.“
Jenny drückte sie. „Das
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